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Die Alte Chronik von 1956

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Der letzte Leineweber

Ohne Zweifel war von altersher der Wein- und Feldbau der Haupterwerbszweig der Dromersheimer Bevölkerung; daneben gab es aber auch eine Anzahl Leineweber, die in ehrlicher, harter Arbeit ihr Brot verdienten. Davon geben uns Zeugnis die alten Bücher und Urkunden, und möglicherweise befindet sich auf manchem Speicher noch ein verstaubtes Spinnrad, der Teil eines alten Webstuhles oder eine Hanfhechel oder Hanfquetsche, die uns an das ehrbare Handwerk der Leineweber erinnern. Ihr Werkstoff bestand aus selbstgepflanztem Hanf, den flinke Frauen- oder Mädchenhände in häuslichem Fleiß an den langen Winterabenden zu Garn gesponnen haben. Auf dem Garten des Heinrich Einsfeld, dicht am Landgrabenweg, befand sich die Brech- oder Hanfkaut, die auch zeitweilig als Viehpferche und Zimmerplatz (1860) und um die Jahrhundertwende als Spiel- und Tummelplatz der Dorfjugend gedient hat. Ein mächtiger Kastanienbaum neben einem früheren kleinen Kalkofen, in dem zuletzt die Zimmerleute ihr Handwerksgerät aufbewahrten und drei Lindenbäume am westlichen Wegrande beschatteten den Platz. Der Aufschwung der Technik, die Weltweite von Handel und Verkehr haben die Kulturverhältnisse in einem ungeheuren Ausmaße verändert und auch dem Leineweber das Handwerk in vielen Gemeinden gelegt. Das Lied der Leineweber, die Romantik von Spinnrad und Webstuhl sind verklungen und für immer dahin. Der letzte Leineweber in Dromersheim starb am 27. Dezember 1882. Es war der am 30. Oktober 1820 in Armsheim geborene Matthias Petri, der im Ort als „s'Ridgers Mathes" bekannt war. Die alte Leineweberfamilie Ridger stammt aus Langenlonsheim. Am 23. Februar 1801 heiratete Konrad Ridger die Anna Katharina Hensel von Dromersheim und ließ sich hier nieder. Nach seinem Tode (12. Dez. 1832) führte sein Sohn Valentin das Handwerk weiter in dem jetzt abgebrochenen Häuschen Untere Grabengasse Nr. 245 (heutiger Besitzer des Neubaues Schmiedemeister Philipp Schnepp). Die Schwester Marianne führte dem ledig gebliebenen Bruder den Haushalt, und Petri kam als Geselle zu ihm in die Lehre. Als Valentin am 24. Febr. 1844 starb, wurde das Handwerk in unveränderter Weise weitergeführt. Petri wurde von seinen Zeitgenossen ein hohes Lied gesungen. Er war „ein stiller, ruhiger, braver Mann", der von früh bis spät an seinem Webstuhl arbeitete und bei seinem Tode das beträchtliche Vermögen von 12 000 Mark hinterließ. Diesen Schatz verwahrte er in hölzernen Wichsschachteln auf einem Brett über der Stalltür. Marianne Ridger erbte davon die Hälfte, die andere Hälfte bekamen seine Verwandten. Der Grabstein von Matthias Petri auf dem Dromersheimer Friedhof kündet noch in leuchtenden Buchstaben von seiner stillen Größe, die seine Bescheidenheit und seinen Fleiß bis in unsere Zeit wachhält. Mit seinem Tode aber stand der Webstuhl still, und das Handwerk der Leinweber war ausgestorben.
       
Inhaltsverzeichnis
Quellen:
Müller: Chronik von Dromersheim

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