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Die Alte Chronik von 1956

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Die Ziegelhütte

Schon der Maskoppsche Plan vom Jahre 1577 verzeichnet vor der unteren Pforte am Westausgang des Dorfes ein langgestrecktes Gebäude, das die Ziegelhütte darstellt. Der ehemalige Pächter ist nicht bekannt. Das Jurisdiktionalbuch vom Jahre 1618 berichtet uns nichts von diesem Gebäude, obwohl neben der Kirche die anderen Gemeindegebäude genannt sind. Erst die Gerichtsprotokolle, die die jeweiligen Verpachtungen durch die Gemeinde enthalten, geben uns Kenntnis von ihr. Es wird berichtet: ?Anno 1627, den 12. Tag im Heumonat, hat ein ehrbarer Rat dem Grumes (= Hieronimus)

Schmidt die Ziegelhütte vor der untersten Pforte verkauft (verpachtet) vor und umb dreißig Gulden und soll zur Ansumme nächst künftigen Martini obgemelten Jahrs oder unverzüglich Weihnacht geben 16 Gülten und 12 alb. Das übrige anno 1628 zu Martini." Aus dieser Urkunde hören wir zum Ersten mal von der Vergebung der Ziegelhütte durch die Gemeinde. Hieronimus Schmidt scheint für 2 Jahre Pächter gewesen zu sein. In den Wirren des Dreißigjährigen Krieges sind keine Aufzeichnungen zu finden, so dass wir über ihr Schicksal nichts wissen. Im Jahre 1665 wird Michael Felder als Ziegler genannt, und im Jahre 1674 hören wir, dass Heinrich Felder die Pacht für das laufende Jahr mit 8 Gulden erstattet. Wenige Jahre später nahm die Hütte großen Schaden, und die Gemeinde lässt das Strohdach erneuern. Im Jahre 1682 wird Felder verpflichtet, das Dach mit Ziegeln zu decken. Man sorgte also dafür, dass Wind und Wetter mit ihrem schädlichen Einfluss nicht mehr so stark einwirken konnten. 1688 wird Vincenz Kronebach und 1698 Heinrich Kornebach Pächter. Beide haben die Pachtsumme mit jährlich 8 Gulden zu zahlen, wie sie auch bei Felder schon bestand. Bei der letzten Verpachtung erfahren wir auch, dass 1000 Ziegeln für 5 Gulden 18 alb. 6 Pfennig, 100 Backsteine für 20 alb. und die Ohm Kalk ebenfalls für 20 alb. zu liefern seien. Ein weiterer Wechsel des Pächters tritt im Jahre 1706 ein, als Friedrich Kronebach jährlich 10 Gulden und ab 1708 sogar 12 Gulden zahlt. Das lässt darauf schließen, dass der Ziegler ein gutes Geschäft gehabt haben muss.

Für längere Zeit fehlen uns nun die Unterlagen, weil die Gemeindebücher abhanden gekommen sind. Nur eine kurze Notiz vom Jahre 1744 besagt, dass die Ziegelhütte in Betrieb war und der Gemeinde 5 Gulden einbrachte. Erst vom 26. April 1762 liegt uns wieder eine ausführliche Beschreibung vor, aus der hervorgeht, dass die Hütte fast vollständig erneuert und, wie es scheint, auch vergrößert wurde. Von Schultheiß, Gericht und den Gemeindevorstehern erhält der Zimmermeister Johannes Mehler von Algesheim den Auftrag, die Hütte in einer Länge von 53 und einer Breite von 24 Schuh zu erstellen, wobei das Holz aus dem Dorfgraben zu nehmen sei. Am 22. Juni des Jahres konnte das Holzwerk aufgeschlagen werden. Dann wurden dem Maurermeister Anton Schüler von Dromersheim die übrigen Arbeiten einschließlich des Dachdeckens und der Ausbesserung des Backofens übertragen. Die Ausgaben für diese Wiederinstandsetzung beliefen sich auf 122 Gulden 3 Kreuzer. Nach der Fertigstellung konnte am 24. Januar 1763 die Benutzung dem Pächter Adam Kronebach übergeben werden, nachdem die Gemeinde vorher auch noch die Röstung hingestellt und ?an dem Creutz 3 Ruthen Feld" angekauft hatte. Doch schon 2 Jahre später (1765) übernahm der Ziegler Nikolaus Anterea von Gantzing (Gensingen) die Ziegelei. Auch er hat die vereinbarte Pachtzeit nicht durchgehalten, so dass schon 1768 ein Wechsel eintrat. Heinrich Becker aus Flonheim pachtete zunächst für 4 Jahre. Er blieb nach Ablauf dieser Zeit weiterhin Pächter, und als er 1774 um einen weiteren Bestand nachsuchte, bat er auch um das nahegelegene Gärtchen, das er auch erhielt, da er ?stets gute Arbeit getan und den Zins richtig bezahlt hatte". Er gab der Gemeinde 4 Gulden, zahlte für das Feuerrecht 3 Gulden, lieferte dem Gericht beim Ab- und Zuschreiben den üblichen Kalbsbraten und entrichtete V4 Wein = 8 Liter. Die Gemeinde verpflichtete sich in dem Pachtvertrage, den Backofen zu unterhalten. Bei der zwei Jahre später erfolgten Neuverpachtung hielt sich derselbe Pächter ?Vs aus dem an der Hütte nach Osten gelegenen Acker zum Lettiggraben aus", weil das Gemeindefeld aufgebraucht war. 1778 ward Friedrich Vetter Pächter, und 1790 steigerte Johann Gresch die Gemeindeziegelhütte auf 8 Jahre für 5 Gulden 10 Kreuzer jährlichen Pacht. Im Jahre 1793 traf die Ziegelhütte ein schweres Schicksal. Sie wurde ?ruiniert und durch die Kriegsvölker (an anderer Stelle, die Preißen') übern Haufen geworfen und verbrennet".

In der Zeit der französischen Herrschaft ging sie wie alle Gemeindegebäulichkeiten in Privatbesitz über. Noch einmal flackerte der rote Hahn über ihrem Dach. ?Am 30. September 1835 um Mitternacht wurde sie durch einen Brand bis auf das Wohnhäuschen und das unterste Holz eingeäschert." (Notiz von Anton Müller.) Nach Johann Gresch, der 1842 starb, war sie im Besitz von dem Ziegler Johann Gangluff, der 1834 mit seiner Familie von Ingelheim zugezogen war. Unter seinen Nachfolgern (Jakob Gangluff ab 1865 und Philipp Gangluff ab 1897) wurde der Ziegeleibetrieb nach und nach in einen landwirtschaftlichen übergeleitet, da er sich gegenüber den größeren technischen Betrieben nicht halten konnte. Ein nachweisbarer 300jähriger Handwerkszweig hatte sein Ende gefunden.

Im Jahre 1906 erwarb Jakob Christian das Anwesen, das sich heute im Besitz seines Sohnes Peter befindet. Noch zu Beginn dieses Jahrhunderts war die Gesamtanlage der Ziegelbrennerei deutlich erkennbar. An der Stelle des heute eingeebneten Hausgartens nach dem Wege zu befand sich auf einem erhöhten Platz der Brennofen mit Schornstein und nach innen zu ein Kalkofen, der auch in späterer Zeit noch benutzt wurde. Den äußeren Teil des Trockenschuppens erwarb Josef Lamoth II., der ihn ausbaute und als Scheune benutzte. Diese ging 1938 durch Kauf an Johann Wilhelm Fleck über, der durch den späteren Bau eines Wohnhauses einen abgerundeten landwirtschaftlichen Betrieb schuf, den sein Sohn Georg führt.

       
Inhaltsverzeichnis
Quellen:
Müller: Chronik von Dromersheim

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