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Die Alte Chronik von 1956

in der Chornik mit Stichwörtern suchen

Die Fehde um Dromersheim zwischen den Rittern von Montfort und Kurmainz

Im 14. Jahrhundert kam es zu einer schweren Auseinandersetzung zwischen den Rittern Philipp und Ulmann von Montfort und Kurmainz, dem ein Rechtsstreit um Dromersheim zugrunde lag. Dromersheim, ebenso Aspisheim, wo das Stephansstift zu Mainz ebenfalls ein Gut besaß, gehörten zu Kurpfalz, und die Ritter von Montfort behaupteten, als pfälzisches Lehen über beide Orte die Vogtei (Schutzherrschaft) zu besitzen. (Wo sie ihr Recht herleiteten, dafür haben sie in den späteren Verhandlungen „keinen Schein des Beweises" herbeibringen können, weder mit Briefen noch mit Zeugnissen.) Das Stephansstift zu Mainz besaß schon zu Anfang des 12. Jahrhunderts (erwähnt 1139) in Dromersheim einen großen Fronhof mit allen Gerechtsamen und hatte am 5. April 1239 von dem Kunibertstift zu Köln das Patronatsrecht (Recht der Pfarrverleihung) über die Kirche St. Peter zu Dromersheim, womit die Einkünfte des Zehnten verbunden waren, für 220 Köllner Mark gekauft. Es beanspruchte nun auch die hohe Dorfgerichtsbarkeit. Beide Parteien, ihr Recht behauptend, gerieten nun in einen heftigen Streit, der zu blutigen Auseinandersetzungen führte. Der Streit mag sich schon jahrelang hingezogen haben, bis es zum offenen Kampf kam. Die forschen Ritter von Montfort, deren Burg — heute Ruine — in einer Schlucht des Lemberges nicht weit von Kreuznach lag, zogen mit ihren Mannen in das kurmainzische Gebiet und gegen das befestigte Dromersheim. Sengend, brennend und plündernd richteten sie die schwersten Verwüstungen an, und mancher Kämpfer und mancher friedliche Bauer, der in den Strudel der Geschehnisse hineingerissen wurde, musste sein Leben lassen. Den Diakon Volmar, Stiftsvikar an St. Stephan, nahmen sie gefangen und schleppten ihn fort. Das ließ sich das Stephansstift nicht gefallen. Am 25. Mai 1335 erschienen die Vertreter des Stiftes mit ihrem öffentlichen Schreiber (Notar) Ulrich von Freising um die Mittagszeit auf ihrem Gutshofe zu Dromersheim und luden den Schultheißen und die sieben Schöffen zu einer Vernehmung vor sich. Auch die Pfarrer Werner von Dromersheim und Bernger von Aspisheim sowie mehrere namentlich genannte Leute beider Orte waren als Zeugen zugegen. Fünf Fragen wurden ihnen der Reihe nach vorgelegt, die einzeln und jedes Mal nach abgesonderter geheimer Besprechung der Schöffen unter Eid beantwortet wurden. Die in Form eines öffentlichen Weistums niedergelegten Fragen lauteten:

  1. Wer den Schultheißen und die Schöffen zu Dromersheim einzusetzen und ihres Amtes zu entsetzen habe. Nikiaus, Wicknants Sohn, antwortete im Namen des Schöffen, dass ihres Wissens niemand als der Dechant und das Kapitel des Stifts zu St. Stephan in Mainz ein- und entsetzen dürfe. Wer ihr Hofmann auf ihrem Hofe zu Dromersheim sei, der solle auch ihr Schultheiß sein. So hätten sie es auch von ihren Eltern gehört und nie anders.
     
  2. Ob der vorgenannte Hof zu Dromersheim der vorgenannten Herren, des Dechanten und des Kapitels, freies Eigen sei oder ob sie jemand davon Rede, Steuer, Trinkgeld oder Kleinod (Fronzins) zu geben schuldig seien, ob jemand Anrecht auf Dienst, Verpflegung und Herberge oder Vogtrecht von Rechts wegen haben solle. — Der Sprecher der Schöffen, Konrad Sterre, bezeugte, dass der Hof freies Eigentum des Stephanstiftes sei und dass niemand anderes als dieses ein Recht auf vorgenannte Verpflichtungen habe. Nur Herr Arnold sei. von Wymesheim (Weinheim bei Alzey) erhielte jährlich 3 Mark Pfennige, damit er den Hof, ihre Hofleute, ihren Schultheißen, ihre Schöffen und die übrigen Leute zu Dromersheim beschirme.
     
  3. Ob des Herrn Arnold Erben die 3 Mark Pfennige auch erhalten sollten und annehmen dürften. — Wiederum antwortete Konrad Sterre, dass die Erben des Herrn Arnold die 3 Mark angenommen hätten, sie wüssten aber nicht, auf welche Weise.
     
  4. Ob die Herren zu St. Stephan zu Dromersheim Schützen und Banne (Verbote) in der Ernte und im Herbst setzen dürften und dazu die Macht hätten. — Konrad Sterre bekundete, dass dieses Recht nur den Herrn zu St. Stephan zustände.
     
  5. Ob für die Güter des Stiftes in der Mark zu Aspisheim dies alles auch zuträfe. — Die Schöffen bejahten.

Mit diesen Rechtsunterlagen wandte sich das Stephansstift an den Kaiser Ludwig den Bayern (1314—1347), der am 18. Juni 1335 in Frankfurt den sieben Land-Friedens-Richtern am Rheine gebot, die ehrbaren Leute, den Dechant und das Kapitel des Stiftes zu St. Stephan auf ihren Gütern zu Dromersheim und in der Mark zu Aspisheim gegen Philipp und Ulmann von Montfort und ihre Gesellschaft zu schirmen. Dem Stift sei Gewalt und Unrecht zugefügt worden, was „durch Kuntschaft, Urkunden und Briefe" bewiesen sei.
Schon am 17. August 1335 fällte das Siebenergericht in Worms, nachdem es beide Parteien vernommen und die Urkunden geprüft hatte, sein Urteil. Die Herrn von Montfort hätten sich „rechtes vermaßen", Gewalt und Unrecht begangen, und täten sie das wieder, so hätten sie den Landfrieden gebrochen, und den Herrn zu St. Stephan müsse geholfen werden.
Dieses Urteil konnte jedoch die rauhen Herrn von Montfort wenig beeindrucken. Hartnäckig beharrten sie auf ihrem Standpunkt. Nach Raubritterart setzten sie ihre Ein- und Überfälle nicht nur auf Dromersheim, sondern auf alle in der Nähe gelegenen Güter des Stiftes fort, so dass ihr Geschlecht als Raubritter in die Geschichte eingegangen ist.

Im Jahre 1339 wurde das Siebenergericht um zwei Richter vermehrt, und das Stephansstift wandte sich mit seiner Klage nun auch an dieses Neunergericht. Am 28. Februar 1341 gab es von Speyer aus bekannt, dass die von Montfort zur Zahlung von 400 Pfund Heller Schadenersatz verurteilt worden seien, den sie durch Raub und Brand verursacht hätten. Es ersuchte den Erzbischof Heinrich von Mainz, das Urteil zu vollstrecken. Philipp von Montfort — Ulmann war vermutlich inzwischen gestorben — war am 10. August 1341 abermals nach Speyer geladen, erschien aber nicht. Am 15. August 1341 bestätigten die Neuner das von den Siebenern am 17. August 1335 gefällte Urteil. Der Erzbischof scheint sich für die Exekution gegen die von Montfort Zeit genommen zu haben. Aus welchen Gründen, ist nicht ersichtlich. Das Stephansstift unterbreitete daher seine Klage weiterhin dem geistlichen (erzbischöflichen) Gericht zu Mainz. Dieses erließ am 5. September 1342 gegen Philipp von Montfort, Friedrich Capel u. a. in Abwesenheit der Angeklagten ein Verdammungsurteil, weil sie die Güter des Stephansstiftes beraubt und geschädigt und den Diakon Volmar gefangengenommen hätten. Der Schaden wurde auf 1000 Pfund Heller geschätzt. Außer dieser Summe wurden ihnen die Gerichtskosten (15 Pfund Heller) auferlegt. Sie verfielen der „großen Exkommunikation", die dem Papste vorbehalten war, und sie sowie ihre Nachkommen bis ins vierte Glied konnten kein kirchliches Amt erhalten. Alle Orte der Propstei St. Stephan, wo sie sich aufhielten und wo sie den Diakon Volmar gefangen hielten, waren dem Interdikt (Verbot der Vornahme kirchlicher Amtshandlungen) verfallen. Dieses Urteil musste von allen Kanzeln der Propstei in der Volkssprache verkündigt werden. Nicht lange danach starb der streitbare Philipp von Montfort und die Erben standen von einer Weiterführung des verlorenen Kampfes ab. Am 7. September 1343 befasste sich noch der Domdechant Johann von Mainz als Obermann mit der Sache, und am 25. November 1343 wurde in einem weiteren Urteil zu Gensingen, in dem die „zweyungen, vffleuffe und Kriege", die Urteile der Siebener und Neuner noch einmal herausgestellt und zusammengefasst wurden, beschlossen,

„dass die Eigenschaft des Gerichts und der Vogtei zu Dromersheim und alles, was dazu gehört, zu Dromersheim und in der Mark zu Aspisheim, von altersher dem Stift zu St. Stephan zugehört habe, und dass die von Montfort, ihre Ganerben (Gemeinbesitzer eines unteilbaren Besitzes), noch Erben, noch sonst jemand ein Recht auf Gericht und Vogtei daselbst besäßen".

Damit war der Streit vorläufig beigelegt, aber die Unklarheiten bestanden noch etwa ein halbes Jahrhundert weiter. Sie fanden ihren endgültigen Abschluss zwischen Kurmainz und Kurpfalz am 15. November 1391. An diesem Tage tauschte der Erzbischof Konrad von Mainz und das Domkapitel mit dem Pfalzgrafen Ruprecht dem Älteren und seinem Sohne Ruprecht dem Jüngeren den Ort Dromersheim mit allen „Zugehorungen" gegen den Ort Bybelichheim (Biebelnheim bei Gau-Odernheim) aus. Mit den Rittern Anthis und Rudolf, den Edelknechten Friedrich und Heinrich und Frau Heiliken, sämtlich von Montfort, wurde am gleichen Tage eine Übereinkunft getroffen, wonach die Ritter auf Dromersheim für „ewig und unwiderruflich" verzichten. Dem Erzbischof Konrad von Mainz wurde zugestanden, die Befestigung von Dromersheim abzubrechen, und der Pfalzgraf Ruprecht verpflichtete sich, sie nicht wieder aufzubauen. Nach diesem Versöhnungsakt war der Streit begraben und die Rechtsverhältnisse urkundlich geregelt.
Weitere Urkunden, die sich auf diesen vorgenannten Streit beziehen, finden sich in den „Regesten der Pfalzgrafen" von Koch-Wille:

18. Juni 1369 Heidelberg: Ruprecht I. bewilligt dem Ritter Philipp von Montfort, seiner Frau Heiliken, an anderer Stelle Heilolind, für 800 Gulden einen Teil der Dörfer Aspisheim und Dromersheim als Witwengut zu reichen.

19. Mai 1388 Wiesbaden: Ruprecht I. bewilligt Anthis von Montfort, die Dörfer Wolfsheim, Aspisheim und Dromersheim zu verpfänden.

19. Dezember 1390 Hemsbach: Ruprecht der Ältere und Jüngere vereinigen sich mit Erzbischof Konrad von Mainz, daß letzterer die Mauern und Tore zu Dromersheim abbrechen soll, dagegen die Pfalzgrafen das Dorf niemals zu befestigen versprechen.

16. November 1391 Hemsbach: Johann Erzbischof von Mainz erklärt im Betreff des Tausches von Biebelnheim und Dromersheim, falls die von Montfort mit einer Abfindungssumme von 1000 Gulden nicht zufrieden seien, den weiteren Spruch eines Schiedsgerichtes anzunehmen. Ruprecht, Ruprecht der Jüngere und Erzbischof Konrad von Mainz verabreden sich zum Vergleich mit denen von Montfort, welche den Tausch von Dromersheim zu hindern suchen, in angegeben gütlicher Weise, im anderen Falle gemeinsames Vorgehen mit Gewalt geplant wird.

28. Dezember 1391 Heidelberg: (Speyer) Siegfried von Gemmingen, Deutschordensmeister, und Engelhard von Weinsberg erklären, daß es bei dem Tausch von Dromersheim bleiben soll und die darüber gegebenen Briefe ihre Rechtskraft behalten sollen, da Ruprecht die von Montfort abgerichtet und ihnen Genüge getan.

17. Juni 1392 Alzey: Heylike, Rudolf, Heinrich, Anthis und Friedrich von Montfort beurkunden, dass Ruprecht ihren Teil von Dromersheim um 1100 Gulden gekauft hat, um welche Summe sie eigene Güter kaufen und vom Pfalzgrafen zum Lehen empfangen sollen. Anthis, Ritter, und Friedrich, Edelknecht von Montfort, quittieren den Pfalzgrafen die für ihren Anteil an Dromersheim bezahlten 400 Gulden.

25. Juli 1392 Heidelberg: Anthis, Ritter, Heylike, Philipps Witwe, Rudolf und Heinrich, ihre Söhne, alle von Montfort, verkaufen um eine Summe Geldes Dromersheim an den Pfalzgrafen.

25. Juli 1392 Heidelberg: Anthis von Montfort, Ritter, Friedrich, sein Edelknecht, Heylike, Witwe des Ritters Philipp von Montfort, und ihre Söhne Rudolf und Heinrich, leisten zugunsten der Pfalz auf die Lehen zu Dromersheim, das an Kurmainz vertauscht worden, Verzicht.

13. Juni 1398 Koblenz: Rudolf von Montfort, Ritter, empfängt vom Pfalzgrafen seinen Teil an Aspisheim und 1100 Gulden, die dieser ihm und seinen Magen (Verwandten) Anthis und Friedrich von Montfort wegen Dromersheim zu geben hat und die auf eigen Gut angelegt werden sollen, zu Lehen.

8. September 1398 Ruprecht II. beurkundet den Tausch der ihm und den von Montfort gehörigen Teile von Dromersheim bei Bingen gegen Biebelnheim an Mainz. 15. Dezember 1398 Mainz: Eberhard von Ippelborn, Dechant, Johann von Schonenburg, Schulmeister, und das Kapitel des Stifts zu Mainz quittieren den nach Vereinbarung vom Pfalzgrafen ihnen übergebenen Brief über Dromersheim.

       
Inhaltsverzeichnis
Quellen:
Müller: Chronik von Dromersheim

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