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Die Alte Chronik von 1956

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Das geologische Bild unserer Heimat

Die Erde hat seit ihrer Erschaffung eine mannigfaltige Entwicklung durchgemacht. Infolge der Erkaltung bildete sich aus dem Nebelball in Jahrmillionen die ursprüngliche Erdrinde, die in der Geologie als Urgebirge oder auch als kristallinisches Grundgebirge bezeichnet wird. In ihm finden sieb keinerlei Ablagerungen; es besteht im wesentlichen aus Granit, Gneis und Glimmerschiefer. Die Abkühlung aber war damit noch nicht zum Stillstand gekommen; sie setzte sich weiterhin und setzt sich auch heute noch fort. Mit ihr aber erlitt die Erde gewaltige Veränderungen, die sich in verschiedene Gruppen gliedern lassen. Die Geologen teilen die Erdgeschichte in drei Zeitalter auf, von denen jedes wiederum in drei Formationen unterteilt wird. Nachdem das Wasser seine nagende und zersetzende Tätigkeit auf der Erde begann, wurden Schichten von Gesteinstrümmern abgelagert, aus denen der Kenner die verschiedenen Formationen wie aus einem Buche ablesen kann. Unterstützt wurden diese Veränderungen noch durch gewaltige Erschütterungen (Erdbeben und ähnliche Ereignisse), so dass große Gebiete einsanken, während an anderen, dünneren Stellen der Erdrinde infolge des Riesendruckes dieser niederbrechenden Massen sich Spalten bildeten, aus denen feurigflüssiges Magma aus dem Erdinnern hervorbrach. Es übergoß die Nachbargebiete und erkaltete dort. In die niedergesunkenen Tiefen aber strömte das Wasser ein und bedeckte alles tierische und pflanzliche Leben mit Gesteins- und Schuttmassen, die je nach ihrer Schwere früher oder später sich in Schichten ablagerten. Die eingeschlossene Tier- und Pflanzenwelt aber kam unter Luftabschluß und erhärtete unter dem enormen Druck allmählich zu Schichtgesteinen (z. B. die Kohlenflöze). Infolge fortgesetzter Erkaltung der Erdrinde fanden solche Einbrüche und Ablagerungen sowie die Senkungen und Hebungen mehrmals statt.
 
Die Zeitalter der Erde werden als Altertum, Mittelalter und Neuzeit bezeichnet. Das Altertum ist im wesentlichen gekennzeichnet durch die Entstehung der Steinkohle. Große Gebiete, die mit Riesenbäumen, Sträuchern und Riesenfarnen bewachsen waren, versanken in die Tiefe, wurden durch Schlamm luftdicht abgeschlossen und verkohlten. Der ungeheure Druck schuf im Laufe der Zeit die Steinkohle.
 
Das Mittelalter der Erde schuf in drei aufeinanderfolgenden Perioden: Trias (Buntsandstein, Muschelkalk und Keuper), Jura (mit seinem Hauptgestein, dem Kalk) und Kreide. Die in diesen Schichten eingeschlossenen Überreste beweisen einen großen Reichtum damals lebender Riesentiere (in den Meeren Ichthyo- und Plesiosaurus, auf dem Lande der Diplodocus und Brontosaurus, in der Luft die Flugsaurier).
 
Auch die Neuzeit der Erde wird in drei Gruppen geteilt: Die älteste Zeit nennt man die Tertiärzeit, gekennzeichnet besonders durch die Entstehung der Braunkohle. In diese Zeit fällt auch die Gestaltung unserer engeren Heimat, während sie in den älteren Zeitaltem weniger stark in Mitleidenschaft gezogen war. Die beiden jüngsten Formationen faßt man unter dem Sammelnamen Quartärzeit zusammen. Sie werden in älteres (Diluvium) und jüngeres (Aluvium) Schwemmland geschieden. Norddeutschland und die Marsdien und Moore Deutschlands sind Zeugen dieser Formationen.
 
Die bedeutendsten Veränderungen unseres engeren Heimatgebiets fallen in die Tertiärzeit, wie der Bodenaufbau von der Talebene bis zur Hochfläche beweist. Es gehört zu dem sog. „Mainzer Becken" und erhielt in jener Zeit im wesentlichen seine heutige Oberflächengestalt. In diese Periode fällt die Bildung der Oberrheinischen Tiefebene von Basel bis Mainz durch Abbruch von den noch stehenden Rändern im Osten und Westen, dem sich auch seitliche Erweiterungen anschlossen. Hierzu zählt auch die Rheinebene von Mainz bis Bingen und die untere Naheebene, die sich innerhalb der schon früher entstandenen Saar-Saale-Senke erneut formte. In diese Senkungstäler und Vertiefungen flutete das Wasser ein und veränderte die damals noch viel formenreichere Oberflächengestalt, nagte die Spitzen der Höhen ab und lagerte die Meeressande und den Rupelton als unterste Schichten ab. Auf ihnen schichteten sich dann Schleichsande, als die senkende Bewegung des Abbruches sich verlangsamte. In langen Zeiträumen bearbeiteten die Wasser oft kilometerweit ins Landinnere die Oberfläche, die durch Hebungen und Senkungen größere Angriffsflächen bot. Als schließlich ein Abschluß vom offenen Meere erfolgte, fand eine Aussüßung des Beckens statt. Dadurch wurde die Arbeit des Wassers zwar manchmal gehemmt, aber trotzdem kommt es oft zu weiterem Vordringen des Wassers, so dass das ganze Rheinhessische Hügelland wieder Ablagerungsgebiet wurde. Es folgen die Schichten der brackischen Cyrenenmergel, die von einer Mischung von Salz- und Süßwasser abgelagert wurden. Sie enthalten oft Kalk und teilweise Ton und sind in der Farbe graugrün oder graugelb. In ihnen sind reichliche Tierreste eingelagert, so dass sie leicht zu erkennen sind. Wir finden sie in unserer Gemarkung in der Nähe des Dorfes besonders an der Landstraße zur Bahn. Reine Süß-wasserablagerungen sind die kreideweißen Mergel am Kolben, die sonst zwar meist eine dunklere Farbe haben und auch keine Einlagerungen besitzen. Am oberen Ende des Friedhofes und am jüdischen Begräbnisplatz, unterhalb des Hörnchens, fand man beim Ausschlämmen Schalenreste von eingeschlossenen Tierchen. In höheren Lagen sind die Kalke teilweise vertreten von weißen, wenig abgerundeten Kieseln, die darauf schließen lassen, dass sie keine weite Reise durchgemacht haben. Es sind Milchquarze, die sich in unserer Gemarkung am Neuberg und Hörnchen vorfinden. Ein Aufschluß am Steuerweg in etwa 260 m Höhe über dem Meeresspiegel zeigt uns den wechselvollen Aufbau der Schichten von oben nach unten:

  • 0,75 m Ackerboden, verlehmter Mergel,
  • 0,15 m blätteriger grauer Mergel,
  • 0,20 m gelbe Kalkbank,
  • 0,15 m grauer Mergel,
  • 0,45 m braungrauer bis schwarzgrauer Mergel,
  • 0,15 m weiße Kalkbank,
  • 0,02 m blätteriger grüngrauer Mergel,
  • 0,03 m Bänkchen aus Hydrobienschalen (eine Schneckengattung),
  • 0,15 m grüngrauer Mergel mit Hydrobien,
  • 0,05 m braungelber Hydrobienkalk,
  • 0,25 m grüngrauer Mergel mit Hydrobia inflata und Hydrobia obtusa,
  • 0,35 m weißer, kreidiger Mergelkalk mit Hydrobienlagen,
  • 0,05 m grüngrauer Mergel,
  • 0,25 m grauer, gelbgefleckter Mergel,
  • 0,13 m Mergel, reich an Hydrobien in Lagen, die bis 4 cm stark werden, 0,07 m kreidiger Mergel, hin und wieder mit Hydrobia inflata,
  • 0,25 m rauher, gebankter, geschichteter bis schiefriger, grauer Mergel mit Gipskristallen
  • (dem sog. Mutterglas), 0,17 m gelbgrauer und grüngrauer Mergel, auf Spalten Gipskristalle,
  • 0,03 m Mergel mit zahlreichen Hydrobien. Im Schlämmrückstand: Hydrobia obtusa sehr häufig, Hydrobia inflata etwas weniger häufig, einige Ostracodenschälchen (v. Muschelkrebsen),
  • viele Fischrestchen, darunter ein Zähnchen, viel Gips, etwas Quarzsand, 0,17 m gelbgrauer Mergel,
  • 0,08 m grauer, schiefriger, feinstreifiger Mergel,
  • 0,23 m gelbgrauer, schiefriger Mergel mit dünnen Hydrobienlagen
  • 0,02 m Hydrobienkalk,
  • 0,35 m grauer Mergel mit Hydrobia inflata,
  • 0,20 m gelbweißer, gebändeter Kalkmergel mit ganz dünnen Lagen von Hydrobia inflata, 0,02 m schiefriger Mergel,
  • 0,30 m grauer und grüngrauer Mergel mit Corbicula faujasi.
  • Die Corbiculaschichten erreichen eine Mächtigkeit von mindestens 50 m. Gegen Ende der Tertiärzeit finden noch einmal recht beträchtliche Kies- und Sandablagerungen statt, fast durchweg zwischen 250 m und 265 m Höhe. Wir finden sie in den Sandgruben nahe bei den Fichten. Es wurden in zwei verschiedenen Aufschlüssen gefunden:

I.

  • 0,80 m Wechsel von Kies- und Sandlagen. Die Gerölle haben zumeist Erbsengröße. Das Material besteht zu 3/4 aus Milchquarz, ferner tritt Bergkristall, Onyx, wenig Quarzporphyr, Chalcedon und Quarzit auf, 0,35 m grober, heller Quarzsand,
  • 0,10 m bis 0,15 m Kieslage mit Gerollen von Erbsen- bis Haselnußgröße,
  • 0,30 m heller Quarzsand, nach unten heller werdend,
  • 0,30 m bis 0,40 m nach unten immer feiner werdender Kies,
  • 1,20 m grober Quarzsand mit kleinen Kieslinien.
  • 3,15 m — Die größten Gerölle sind eigroß. Alle Schichten sind kalkfrei.

II.

  • 0,30 m verlehmter Kies,
  • 1,20 m Quarzsand, nach oben heller werdend,
  • 0,80 m Kies, nach unten in groben Sand übergehend,
  • 0,70 m grober Quarzsand, der nach oben und unten feiner wird,
  • 0,20 m toniger Kies,
  • 0,30 m grober Quarzsand mit vereinzelten Gerollen, darunter ein eigroßer Buntsandstein, 1,20 m Quarzsand, der nach unten feiner wird. 4,70 m
  • Die Mächtigkeit dieser Kiessande ist nirgends größer als 15 m. Ihre Ablagerung dürfte wohl dem „Urrhein" zuzuschreiben sein, der sein Quellgebiet wahrscheinlich in den Vogesen hatte, quer durch Rheinhessen floß und nahe bei Ockenheim in das damalige Meer mündete.

Nach Abschluß all dieser gewaltigen Veränderungen traten geologisch ruhigere Zeiten ein, in denen sich unser heutiges Flußnetz ausbildete. Auch in diesen Zeiten finden noch Ablagerungen statt, aber sie werden nicht mehr mit der alten Wucht durchgeführt. Infolge des Abflusses des Wassers zu dem Meer trockneten die höher gelegenen Gebiete ab, so dass stärltere Winde die leichteren Sande verwehten. Ein solches Flugsandgebiet ist auch das untere Nahetal zwischen Sponsheim — Dromersheim und Büdesheim — Ockenheim.

In der Gemarkung unseres Heimatortes sind die Mergel vielfach mit Löß oder Lehm vermengt, so dass sie einen hervorragenden Boden für den Ackerbau sowohl wie auch für den Weinbau abgeben. Die Kalksteinböden geben besonders an den Abhängen günstige Weinbergslagen ab, in denen gute bis beste Weine wachsen.

       
Inhaltsverzeichnis
Quellen:
Müller: Chronik von Dromersheim

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