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Die Alte Chronik von 1956

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Von alten Brunnen, Dorfteichen und Bleichen

Die Wasserversorgung einer Gemeinde gehört zu den Grundfragen einer dörflichen Gemeinschaft. Glücklich ein Dorf, dem diese Frage keine Sorge bereitet. Dromersheim war alten Berichten zufolge früher reichlich mit Wasser versehen, was sich jedoch um die Jahrhundartwende durch Senkung des Grundwasserspiegels wesentlich änderte. In ausgesprochen trockenen Jahren (z. B. 1911 und 1921) lief dieses kostbare Naß so dünn, daß es kaum über den notwendigen Bedarf zu Koch- und Trinkzwecken hinaus ging. Die tiefsten Brunnen waren bis auf den letzten Tropfen leer geschöpft, und an den Röhrbrunnen standen die Leute oft stundenlang bis in die tiefe Nacht hinein Schlange, um nur einen Eimer voll Wasser zu ergattern. Für das Vieh und zu Wirtschaftszwecken mußte man oft an die Nahe fahren, um sich ein Faß voll zu holen. In welche Notlage in solchen Fällen die Gemeinde bei einem Brande geraten konnte, läßt sich leicht denken. Gottlob ist seit 1949 diese Sorge durch eine zusätzliche Wasserleitung von Büdesheim herauf behoben worden. Im Jahre 1780 gab es in Dromersheim 23 offene Brunnen und zwei offene Wasserteiche.
 
Vor dem Bau der Wasserleitung im Jahre 1928 hatten viele Leute zur Wasserversorgung ihre eigenen Hausbrunnen; daneben gab es noch acht öffentliche Brunnen in den Straßen und zwei Röhrenbrunnen. Eine Leitung brachte das Wasser vom Kolben in den Behälter an der oberen Steigergasse im alten Dorfgraben. Von hier aus floß es in den Brunnen in der Steigergasse neben dem Treppenaufgang zur alten Schule und weiter zu dem Röhrbrunnen in der Dorfmitte auf der Langgasse am Hause des Franz Schmitt (Haus Nr. 63), wo heute, und hoffentlich noch für fernere Zeiten, der Stein als Erinnerungszeichen steht. Aus zwei dünnen Messingröhren ergoß sich das Wasser in einen großen gußeisernen Trog oder Sarg, der von niedrigen, steinernen Pfeilern mit einem Stangenbeschlag eingefaßt war. War der Trog voll, so lief das Wasser durch eine Brücke an der Langgasse ab zur Untergasse. Später speiste es durch eine Leitung in dieser Straße einige Hausbrunnen sowie den öffentlichen Brunnen vor dem Hause des Heinrich Herrmann (Nr. 145) und ergoß sich in die „Wied", die sich auf dem freien Platze neben dem Eichhäuschen befand. Überschüssiges Wasser floß ab in den Graben der Untergasse. Am 20. 2. 1907 wurde der Röhrbrunnen in der Mitte des Dorfes niedergelegt, das Wasser aber wieder in einen Röhrbrunnen in die Untergasse geleitet, der an der Scheune von Georg Huber stand. Der alte Trog fand hier wieder Verwendung, nicht aber die beiden Ausflußröhren. Sie wurden durch eine stärkere eiserne ersetzt. Der Röhrbrunnen im Oberdorf auf der Mitte des freien Platzes vor der Scheune von Peter Tischleder (Haus Nr. 266), wurde erst 1865 errichtet und empfing sein Wasser aus der Quelle im Baumborn. Zuvor floß diese Quelle oberirdisch durch die Dalbusgasse und Dietengasse durch einen Flutgraben zum Dorf hinaus in die Gemarkung, der Nahe zu. Dieser Röhrbrunnen war notwendig geworden, weil sich das Dorf in nordwestlicher Richtung immer mehr ausdehnte. Sein überschüssiges Wasser gab er ab in den öffentlichen Brunnen in der Langgasse am Hause von Leonhard Dickescheid (Nr. 29) und weiter in die Leitung der Untergasse. Für private Brunnen durfte dieses Wasser nicht in Anspruch genommen werden. Dieser ganze Wasserlauf kam zum Erliegen beim Bau der Wasserleitung im Jahre 1928. Die Röhrbrunnen wurden stillgelegt, und die mit ihnen in Verbindung gestandenen Brunnen nebst der „Wied" sind zum größten Teile bis zur Unkenntlichkeit verschwunden. Eine Quelle speiste den öffentlichen Brunnen in der Mitte der Dalbusgasse, dem Stephansgäßchen, der oberen Dietennebengasse und den wasserreichsten Dietengassebrunnen. In nassen Jahren konnte aus letzterem ein Mann ohne Brunnenhaken daraus schöpfen. Später wurde er mit einer Pumpe versehen und versorgt seit 1946/47 das Winzerhaus in der Untergasse (Nr. 150) mit Wasser. Der letzte von der Gemeinde erbaute Brunnen, der aber in seiner Ergiebigkeit nicht hielt, was man von ihm erwartet hatte, und daher spottweise oft „Sauerkrautständer" genannt, wurde 1904 auf der oberen Bleichecke an der Aspisheimerstraße gegenüber dem Hause von Jakob Zimmermann errichtet. Eine Eisenplatte zeigt heute noch seinen Platz an. Die „Wied" in der Untergasse, die im Jahre 1892 durch ein mächtiges Gewölbe unter dem Eingang zur Straße in den Bullenstall eine Erweiterung erfahren hatte, wurde nach 84jährigem Bestehen zugeschüttet! Sie hatte eine Vorgängerin auf der Langgasse bei der Gastwirtschaft Fritz Dickescheid Wwe. (Nr. 62), bei der sich ein Dorfbrunnen befand. Sie nahm die halbe Straßenbreite ein und bezog ihr Wasser aus dem Graben des Bafferts, das bei der Oberen Grabengasse durch eine Brücke zur Dalbusgasse floß. Sie war ein echter, offener Dorfteich alten Stils, in dem sich Enten und Gänse tummelten und die Pferde zur Schwemme geführt wurden. Ihr Abfluß ging durch die Dietengasse in einen Flutgraben, der in die Gemarkung führte, und den Verlauf des ehemaligen Hungerbaches kennzeichnete. Als man im Jahre 1844 die Straße von Bingen nach Wörrstadt baute, mußte diese alte Wied samt Brunnen als verkehrshindernd beseitigt werden. Man hatte geplant, sie in die untere Dietengasse vor das Haus von Ambros Pfeifer (Nr. 200) zu verlegen, nahm aber davon Abstand und wies ihr den Platz in der Untergasse zu.
 
Eine weitere Wied befand sich auf der ehemaligen Bleiche an der Aspisheimerstraße gegenüber dem Haus von Johann Baptist Huber (Nr. 125), die dem Begießen der Wäsche diente. Ihr Wasser erhielt sie durch zwei Zuflußröhren aus der Quelle im Dorfgraben hinter der Scheune von Heinrich Dickescheid, das treppabsteigend geschöpft wurde. Später gewöhnte man sich mehr an die besser hergerichtete Wied in der nahegelegenen Untergasse, so daß sie allmählich verfiel und beseitigt wurde.
 
Wie duftete es einmal auf dieser schon 1751 genannten schönen, großen Bleiche, die noch den sanften Schwung des alten Wallgrabens deutlich erkennen ließ, nach sprießendem Gras, Maßliebchen und frischer Wäsche! Als im Jahre 1846 Martin Singer acht Ruten Bauplatz darauf haben wollte, beschloß der Gemeinderat einstimmig, „daß der in Rede stehende Platz nie und nimmer als Bauplatz, sondern als Ortsbleiche der Gemeinde zum Benutzen verbleiben soll". Ja, man errichtete im Jahre 1861 für die Bedürfnisse der Bewohner des Oberdorfes noch eine zweite Bleiche zwischen der oberen Grabengasse und dem Friedhof.
 
Was ist aus den einst so schönen, gepflegten Bleichen geworden? Waren sie nicht mehr erforderlich? Haben die geplagten Hausfrauen nicht mehr so viel zu waschen, zu bleichen und zu trocknen gehabt? Zunächst wurde die ältere Bleiche vor etlichen Jahren durch einen Brandweiher verunstaltet, den Optimisten schon als künftiges Schwimmbad sahen. Ihr eigentlicher Zweck war damit schon weitgehend eingeengt, und heute trägt sie, von Grabschutt überlagert nur noch den Namen. Ihr unterer Teil wurde durch die Feldbereinigung verstümmelt, und die Bleiche fürs Oberdorf im Zuge dieser Veränderungen gänzlich beseitigt. Viele ältere Hausfrauen, die sich inzwischen einen Ausweg gesucht haben, aber sagten: „Schade um unsere schönen Bleichen!" Und die jungen wissen es nicht mehr anders.
       
Inhaltsverzeichnis
Quellen:
Müller: Chronik von Dromersheim

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