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Die Alte Chronik von 1956

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Die Regeln der Schröterzunft in Dromersheim

Im Mittelalter hatten sich die Handwerker desselben Gewerbes zu Zünften, Innungen oder Gilden zusammengeschlossen, die sich gegenseitig Schutz und Hilfe gewährten. Gemeinsame Bestrebungen, Rechte und Vorteile fanden durch sie ihre Wahrung und Förderung. Während im Jahre 1576 die umliegenden Dörfer, wie Ockenheim, Gau- Algesheim und Gau-Bickelheim, die Schröter schon aufweisen, hatten Dromersheim und Dietersheim deren noch keine. Hier half ein Nachbar dem andern. In Dromersheim wird ihre Existenz erstmalig im Jahre 1679 urkundlich bezeugt. Auf Martini wurden vier alte Schröter sowie vier junge „als geschworene (d. h. vereidigte) Schröter angeordnet". Ihre Aufgabe bestand darin, die gefüllten Fässer mit Wein aus dem Keller heraus auf das Fuhrwerk zu schaffen oder zu schroten, wofür durchschnittlich für die Ohm 4 bis 8 Heller bezahlt wurden.
Das Leben innerhalb der Zunft war durch Satzungen oder Regeln festgelegt, wonach sich jeder Mitbruder zu richten hatte. Wer sie übertrat, wurde zu einer Strafe herangezogen, die bei den Schrötern zumeist in Wein bestand, der zusammen mit dem Schrotwein in feuchtfröhlicher Gesellschaft bei ihren Zusammenkünften getrunken wurde. Den weinfrohen Charakter der Zunftgenossen erkennt man aus der nachfolgenden „Regula", in der viele Artikel vom Verhalten beim „lieben Trunk" handeln.

Regula der löblichen Schrod-Zunft zu Dromersheim. In der Obergaßen

Nach dem Berfurth zu Besorgt oben Michael oder Nikolaus Ester, sambt der ganzen Dalbusgaßen, und der Halben Steygergaßen Biß Jakob Schreiber Exclusive.
Diese Artikul seind zu 4 Theil gestellet und mit unserem Schrod insigill untertruckt, wie zu sehen ist, auch soll sich Keiner geliesten, den geringsten punckt zu Disputiren oder einigen Tadel darein zu werfen. Bey Straf zwey Maß Wein.

Renovatum Dromersheim,
d. lten Merz 1811

Articul 1.
Ersth ist zu Wissen das sich unsere Schrodthung wie Bekannt ist, als Von Nikolaus Ester in der Obergaßen Biß Bey Jakob Schreiber in der Steygergaßen sich Belaufet.
Articul 2.
Wird einem Jeden Bekannd sein, daß sich ein jeder mit einem Amt ohn Beschwerth sein soll, so will ich einem Jeden Bekannt machen, was Amts er sich Bedienen soll als Folget.
Florian Nagel als Schröter-Meister, Georg Schuhmacher adjunctus, Johannes Schmitt, der Mitteln, Michael Lunkenheimer, Henrich Schumacher und Peter Lambi (diese vier Letzten als Vordere Bodem-Knecht), Peter Mayß, Johannes Schmitt der junge, Johannes Lunkenheimer und Henrich Schumacher der junge (diese als: Hinter Bodem-Knecht), Wendel Sturm die Mittel Leither, Franz Schmitt den Bock, und soll derselbe Bey seinem Wirth oder gast-Herr wohl verpfleget werden , Peter Schmitt den Klampen sambt der spitz Philipp Klemens den anderen Klampen.
 
Articul 3.
Die jenigen Manschaft so Keinen Dienst Hat, Können sich selbsten wie es am Besten ist, in Schrod Ordnung stellen, wie Ihnen annoch Von alters Bewust ist, und soll sich Keiner unterstehen wan die Bodem-Knecht Beyhanden das Faß anzugreifen, sondern den es anbefohlen überlassen, auch soll sich Keiner unterstehen ohne Schuh Cammisol oder Kittel zur Schrodung zu Komen. Bey Straf einer Maaß Wein.
 
Articul 4.
Wofern sich einer saumselig findet nach dem gebott zur arbeit zu gehen wan er zu Hauß ist, soll er zur Straf geben zwey Maaß Wein, Kan aber in wahrender arbeit noch einen Boßel Bekomen das Faß zu Bößelen ist er der Straf Befreyet.
 
Articul 5.
Soll sich auch Keiner gelüsten Lassen unter der Arbeit einen Fluch zu Begehen, auch S!V! den Treck nicht änderst als Staub Nennen, Bey Straf einer Maaß Wein.
 
Articul 6.
Sollen sich die Brüder nicht unterstehen dem Fuhrmann, wan er Bey auf Latung seinen Wagen nicht geschlossen, oder die wein Baum Vorn nicht fast gemacht auf zu schroden, und wan sie etwa seinetwegen Verhinderet Könen sie denselben zur Straf ziehen mit Einem Maaß wein.
 
Articul 7.
Wann Ein Frembter, Welcher aus der Schrodung ist und Verlanget ein zulast wein geschroden zu haben, soll sein die gebühr 3 Maaß wein ist es aber ein guter Kunne so Hat der Schrödermeister zu sprechen.
 
Articul 8.
Wann dan die arbeit Vollendet ist, soll sich ein Jeder seinem Amt gemäß sein Zu geordnetes gezayh wiederum an seinen Bestümdten orth Tragen od Verschaffen, auch daselbe wohl allem unrath Verwahren, Bey Straf einer Maaß wein.
 
Articul 9.
Wann die Brüder einen Trunck Zum Besten Haben und sich an einem orth Versamblen Wollen, so solle der Jüngste Bruder die ganze Zunfft dahin Berufen Zum Trunck, wan aber einer zu Hauß wäre und wolte sein Antheil wein Begehren und nicht erscheinen, so soll Ihme HieVon nichts gestattet werden. Dem Schrödermeister zur Straf Zwey Maaß wein.
 
Articul 10.
Wann dan Nun die Brüder Versamblet Sein, den Verdienten Schrod-wein zu genißen, so soll einem Jeden erlaubt sein, die Zeit zu Vertreiben, in Kurtzweilen oder in einem anderen gespräch, das die Zeit damit Vertrieben wird, Keinem Kein Scheltwort zu keben oder sich darin zu Verfangen Bey Straf zwey Maaß Wein.
 
Articul 11.
Wann dan ein Jeder Bruder der gesellschaft Beywohnen, So soll im gespräch sein Von der arbeit und dem Lieben Trunck oder sonst ein Ehrbares gespräch, auch soll sich Keiner unterstehen außer der zeit Heim zu gehen entweder abens oder Morgens um Sieben Uhr, Bey Straf einer Maaß Wein.
 
Articul 12.
Wann einer oder der ander, wie es pflegt zu geschehen, außer der Zeit Heim gehet, soll er nicht die geringste ufruhr auf der Straßen machen, wofern er Von einem anderen mit Bruder gehöret wird, soll er zur Straf angezogen werden mit einer Maaß Wein oder Ein Schoppen Brande-Wein.
 
Articul 13.
Wann dan die Schröder Zunfft den Schrod-Wein Verdienst und denselben in Bester Kurzweil genießen wollen, so soll sich Keiner unterstehen ohne Kaufmannsguth Zu Bescheinigen, welcher etwa rohn oder Lang Schimmel oder dergleichen, Sondern denen Brüderen einen Tranck Bahren Trunck Vorsezen Bey Straf Zwey Maaß Wein.
 
Articul 14.
Wann die Löbliche Zunfft Beyeinander in einem Koller wäre, So soll sich Keiner unterstehen, der sich an einem Apfel, Birn oder So gar an einem Käß-Ständer Vergreifen wolte, Viel weniger ist erlaubt, mit einer pfeif zu Trinken ohne Vorwissen des Hauß-Mans selbste dem Contravenient zur Straf Zwey Maaß wein.
 
Articul 15.
Wann die Brüder einen Trunck Verdient haben, und etwan ein mit Bruders Frau Wäre, die denselben den Platz oder die warme Stuben nicht Vergönen wolte, den Verdienten Schrodwein in Bester Kurzweil zu genießen, so sol sie zur Straf angezogen werden mit einem Alten Käß oder Zwey Bratwürst.
 
Articul 16.
Nicht soll auch Hierin auf gunst oder Neydt gehandelt werden, das die Brüder an einem orth einkehren wolten, da sie gedächten, den Käß oder Bradwürst zu verdienen oder zu Bekommen, ist auch Nicht Billig, sondern sollen einkehre alwo sie den Mehresten wein Haben.
 
Articul 17.
Wann ein mit Bruder über dem Trunck Ein Pfeif rauchen wolte, Soll er Bey dem Herr Schröder Meister erlaubnis nehmen und die währende Zeit einen abtritt nehmen, wo nit das er Bey öffentlicher Tafel oder arbeidt Thäte Rauchen. Soll er zur Straf geben 3 Maaß Wein ohne einige Verantworthung.
 
Articul 18.
Solta sich Einer unterstehen, Wan der Verdiente Schrod wein getrunken wird, mit der Faust auf den Tisch zu schlagen, soll seine Straf sein ein Maaß wein, und dieses ohne Verzuch.
 
Articul 19.
Wann ein Nach Bar oder Frembter, so nicht in der Schrodung wäre, und Begehrte sich darin zu Kaufen, Soll sein die gebühr Zwey Viertel wein, und ein orths gülden Vor das gezayh, welches Bei denen Brüdern Verzehret wird, doch hat H. Schröder meister Hierin zu sprechen.
 
Articul 20.
Wird von denen Brüdern alles Amtlich Begehret, Von dem Schröder meister einen Zu Verordnen, die Regula in Bester Behutsamkeit zu Beobachten Vor S. V. Ratten, Mäuß und sonstigen ungezifer Wohl zu Verwahren. Damit die Brüder und Schröder Zunfft durch die Regula in guter Ordnung Bleiben und Auferbauligkeit gehalten werden Bey Straf ein Viertel Wein.
 
Articul 21.
Soll der Schröder Meister Bey Straf Zwey Viertel wein alle quarthal aufs wenigst diese Regul Vorleßen oder durch einen anderen mit Bruder Vorlesen Lassen, damit die Brüder in Bester zucht und ausser Bäuligkeit gehalten werden, und wan das quarthal Vorhanden, das die Brüder Beysamen Komen sollen, Welches am füglichsten Bey dem Zehenden wein Schrothen geschiehet, und einer Wäre, der Nicht erscheinen wolte, den Regula Bey zu wohnen, soll die Vorangesetzte Straf erlegen ohne einigen Verzuch.
 
Articul 22.
Ist zu Wießen, das Bey dem aufschluß od. Regul Verhör Kein Frau oder sonsten einer, der nicht Tauglich wäre, Erscheinen solle, So soll der Saumseelige zur Straf geben Zwey Maaß Wein, und ein Halb Duzent Häring.
 
Articul 23.
Werden die Brüder allesambtlich Zum Letzten und Beschluß Erinneret, damit ein Jeder sein Amt recht wohl Versehen und Verichten möge, damit die geringste Klag nicht so wohl auf Schrödermeister als auch gemeinen geschehen möge und wan einer das gebott schuldig od. unschuldiger weiß übertreffen und zu gebührender Straf gezogen wird, so ist im Ja wohl erlaubt, um gnädige Straf zu Bitten, nicht aber mit groben od. Scheltworthen Herauß Fahren Bey Vermeidung seines Dienstes. Wornach sich weiß Ein jeder Zu Richten.
 
Articul 24.
Es wird dan unßerem Regul durch H. Schrödermeister und acht Bodem Knecht mit unßerem Schrod Sigill untertruckt, zu Bester Bekräfftigung unterschrieben.

So geschehen.
Dromersheim den 1ten Merz 1811

 

  • Ein Maß sind zwei Liter
  • Bock — Gestell zum Auflegen der Schrotteitern. „Bock" hieß auch der Zunftgenosse, der das Faß „aufzubocken", d. h. auf den Wagen zurechtzulegen hatte. Er allein wurde am Tage des Aufschrotens von dem Weinverkäufer „verpfleget" oder verköstigt.
  • Klampen, mhd. Klambe = Klemme, Klammer
  • „spitz" s. Bild in der Mitte
  • Camisol = Wams, Jacke
  • wahrender = währender, dauernder Arbeit
  • Boßel mhd. bözel = Prügel oder Schläge; bößelen = stoßen, schlagen
  • S. V. — salva venia = mit Erlaubnis zu sagen
  • aus = außerhalb
  • Zulast - 1/2 Stück
  • zugeordnetes gezayh — zugeteiltes Arbeitsgerät
  • rohn oder lang = verdorben
  • Trandc Bahren = trinkbaren
  • mit einer pfeif zu trinken = rauchen
  • Hauß-Mans - Hausbesitzer
  • Contravenient = Übertreter
  • zwey Viertel Wein = 16 Liter
  • Auferbauligkeit = abgeleitet von Erbauung im christlichen Sinn

 

Nun folgen noch einmal die Namen der Mitglieder der Schröderzunft nebst ihrer Einteilung, wie sie in Artikel 2 aufgeführt sind. Die Regula fährt fort:
Folget Nun die Hoch Löbl. Zunfft, wie Sie in Diensten angenohmen worden nach der
Rang.

1766 Herr adjuncktus Nemlich Johannes Mayß
1775 Herr Vallentin Fügen
1775 Peter Schmitt
1779 Georg Schumacher
1780 Henrich Schumacher
1780 Michael Lunkenheimer
1783 Johannes Nayß
1785 Leon hart Schifmann
1787 Rubertus Mauer
1787 Adam Fleck
1791 Johannes Schmitt d. Mittele
1794 Peter Lambi
1794 Philipp Klemens
1798 Martin StrasBurger
1801 Adam Nagel
1802 Andreas Jox
1803 Wendel Sturm
1804 Johannes Schmitt d. Jung
1808 Peter Mayß
1808 Johannes Lunkenheimer
1808 Henrich Schumacher Jun.
1808 Franz Schmitt
1808 Philipp Nagel
1808 Nikolaus Hochthurn
Es ist Noch zu Bemerken, wann ein Faß Nicht schrodenmähsig währe, solches Nicht anzugreiffen, dienet zur Nachricht.
1812 Adam Nagel
1812 Johannes Miller
1812 Peter Schumacher
1815 Philipp Mayß
1816 Peter Schumacher der Junge
1818 Peter Gilles
1818 Matias Ewy
1818 d. 1. December Pilipp Schumacher
1819 d. 29ten 8bris ist Sebastian Schmitt in unser Schröderzunfft angenommen worden für zwey Virtel wein und jedem bruder 12 weck.
1819 d. 22ten 9bris ist Adam Poth in unser Schröderzunfft angenommen worden für
zwey Virtel wein und jedem bruder sein weck.
1819 d. 22ten 9bris ist Heinrich Mauer in unser Schröderzunfft angenommen worden
für zwey Virtel wein und jedem bruder sein weck. 1819 ds. Ilten Juli ist der Herr Johan Müller als Schröder Meister Von der Löblichen Schröderzunft angenommen worden. Des weiteren wird eine Neueinteilung der Zunft namentlich aufgeführt.
Adam Berger ist die zuletzt verzeichnete Aufnahme vom 25ten Juli 1829 „für lVa Virtel wein und jedem Bruder sein Weck und 110 Spitz". (Dieses Wort bedeutet einen Geldbetrag.)

Die Schröterzünfte bestanden in den Orten des Rheingaues bis zu den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts. In Dromersheim jedoch muß sie schon Jahrzehnte früher erloschen sein, denn selbst den ältesten Leuten ist von einer Schröterzunft nichts mehr bekannt.

       
Inhaltsverzeichnis
Quellen:
Müller: Chronik von Dromersheim

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