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Die Alte Chronik von 1956

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Die Bevölkerungsbewegung

Die Bevölkerungsbewegung ist von mannigfachen Faktoren abhängig. Ändert sich das Bild in einem kleinen, durch keine wirtschaftlichen Strukturveränderungen in Bewegung geratenen Ort, in ruhigen, normalen Zeiten durch Geburten, Sterbefälle, Aus- und Einheiraten in geringem Umfange schon laufend, so wird es durch außergewöhnliche Ereignisse wie Kriege und epidemisch auftretende Krankheiten meist sprunghaft beeinflußt. Auch Desertationen beim Militär spielen in Dromersheim eine, wenn auch untergeordnete Rolle, indem der Fahnenflüchtige, dessen Vermögen gerichtlich eingezogen wurde, nicht mehr in seine Heimat zurückkehren konnte. Er mußte seine Zuflucht in einem anderen Lande suchen, um dem Zugriff der Häscher zu entgehen. Einen großen Substanzverlust hat unser Dorf auch erfahren durch Auswanderungen und Wegzüge, denen nur eine einzige Blutzufuhr großen Ausmaßes während und nach dem Dreißigjährigen Kriege gegenübersteht.
In sehr langsamer Kurve, die verschiedentlich von schweren Rückschlägen unterbrochen war, hat sich Dromersheim in den letzten rund 340 Jahren (1618—1956), seitdem'eine genauere bevölkerungspolitische Bewegung statistisch faßbar ist, vermehrt. Das hat seinen Grund einmal in einer viel größeren Kindersterblichkeit in früherer Zeit, zum anderen aber in seinem bis auf den heutigen Tag fast unverändert gebliebenen rein bäuerlichen Charakter mit vielen Kleinbetrieben, wodurch Hunderte seiner Söhne und Töchter gezwungen waren, als Knechte, Mägde, Laufburschen, Lehrlinge usw. ihr Brot in der Fremde zu suchen, um später meist nicht in ihren Heimatort für dauernd zurückzukehren. Sie waren für die Stärkung des Dorfes in der übergroßen Zahl verloren. Einen Aufschluß über die Bevölkerungsbewegung erhalten wir für die ältere Zeit neben anderen ergänzenden Quellen durch die Pfarrbücher (sie beginnen 1676 mit spärlichen Eintragungen in den ersten Jahren), in der Franzosenzeit (1798—1814) und seit 1822 auch durch die Zivilstandesregister und seit 1876 durch das Standesamt. Die Dromersheimer Pfarrbücher enthalten gelegentlich Lücken, die aber das Gesamtbild nicht beeinflussen So sind z. B. für 1690, dem Jahre der Zerstörung von Dromersheim, keinerlei Einträge verzeichnet; auch mag man in früherer Zeit keine so bürokratisch genauen Statistiken verlangt haben, wie das heute der Fall ist.
Nach zuverlässigen Berechnungen sind in Dromersheim in den letzten 280 Jahren (von 1676-1956) rund 6980 Geburten und 4720 Sterbefälle verzeichnet worden. (Die Zahl der Eheschließungen in dieser Zeit etwa 1720.) Zählen wir von den Geburten rund 1000 z. Z noch lebende Personen ab, so sind in diesem Zeitraum etwa 1260 Personen nach auswärts geganaen, die als Verlust zu buchen sind. In jedem Jahr haben also durchschnittlich etwa 4,5 Personen Dromersheim für dauernd verlassen. Trotzdem ist unser Heimatort von 373 Einwohnern im Jahre 1618 auf 1175 im Jahre 1951 angewachsen, hat also in 333 Jahren rund 830 Seelen zugenommen. Das entspricht einer jährlichen durchschnittlichen Zunahme von etwa 2,5 Personen. Es müssen also etwa 7 Personen im Durchschnitt jedes Jahr durch Geburten, Zuzug und Einheirat die Einwohnerzahl vermehrt haben.
Während des Dreißigjährigen Krieges treten eine große Menge neuer Familiennamen auf, die aber fast alle nach kurzem Auftreten wieder verschwanden und daher unberücksichtigt bleiben. Es soll nur die Rede sein von solchen, die einen dauernden oder wenigstens einen langen Bestand aufweisen. Von den 1618 verzeichneten Namen haben sich nur vier bis auf den heutigen Tag erhalten, nämlich Schmitt, Fischer, Roos (Rooß, Roß) und Schäfer (Schöffen, Schöffer, Schäffer). Die Familie Schmitt ist 1543 und die Familie Rooß 1553 in den Kornzinslisten für das Kloster Rupertsberg, das in Dromersheim ein Hofgut hatte, schon feststellbar. 1562 wird Velten Roß, der Bäcker, genannt. Diese vier Familien sind die ältesten Stammfamilien, die nachweisbar auf eine über 400jährige ununterbrochene Ansässigkeit zurückblicken können. In den genannten Listen treten auch die Namen Hartmann und Schuhmacher auf, die aber 1618 nicht mehr verzeichnet sind.
Von den 57 im Jahre 1618 genannten Familiennamen sind im Jahre 1655 nur noch 18 vorhanden, also 39 verschwunden, ein Beweis dafür, welche gewaltige Umschichtung die Bevölkerung von Dromersheim während und durch den Dreißigjährigen Krieg erfahren hat. Welchem Schicksal seine Bewohner anheimfielen, läßt sich im einzelnen nicht nachweisen, jedoch ist unzweifelhaft, dass sie in irgend einer Form ein Opfer dieses furchtbaren Krieges geworden sind, wodurch die Bevölkerung stark dezimiert wurde. Nach dem Dreißigjährigen Kriege wurde in den vom Kriege besonders heimgesuchten Ländern von den Landesfürsten eine systematische Blutzufuhr betrieben, die sich in Dromersheim bis in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts erstreckte. Sowohl der Kurfürst von Mainz wie auch der von der Pfalz riefen große Mengen Einwohner in ihre entvölkerten Länder. Aus dem Eichsfeld, Tirol (besonders viele Maurer) und dem Bistum Lüttich kamen viele nach Dromersheim. Manche der Zugewanderten haben nicht, gleich festen Fuß gefaßt, sondern öfters ihren Wohnsitz gewechselt, wodurch die Forschung erschwert wird. Von dieser Einwandererwelle sind von den heute oder bis vor einigen Jahrzehnten noch bestehenden Familien erstmalig faßbar: 1653 Dickscheid (traditionell aus Tirol) Hartmann, Gilles (Witwe Gilles, Eyflersche Erben von Köln), Lehn und Meyß; 1659 Bauer, 1665 Ockstadt; 1671 Poth (Pooth, Pfoet); 1675 Kronebach; 1676 Flesch und Flösch, später Fleck (traditonell vom Eichsfeld); Schuhmacher; 1678 Lamoth; 1679 Neyß (Neuß); 1680 Pfeifer und Hensel (der 1629 genannte Pfeffer kann identisch sein mit Pfeifer) 1681 Mauer (Maurer); 1696 Christian; 1697 Gresch; 1713 Desoy (aus der Lütticher Gegend über Warmsroth, Wald-Erbach, Roth, Gau-Algesheim und 1701 Laurenziberg); 1717 Tischleder (Dischledder, Dischleder); 1718 Nagel (Maurer, aus Holzgau in Tirol); 1720 Huber (aus Tirol, Ort unbekannt); die Familie Hassemer (Hassamar, Haßemer) kam 1726 von Heidesheim nach Dromersheim. Viele der vorgenannten Familien haben auf ihrer Wanderschaft zuerst einige Orte der Umgebung passiert, bis sie in Dromersheim landeten und seßhaft wurden. Aus Tirol waren auch die Dromersheimer Familien Schüler, Singer und Dengel (letztere aus Dickernau), die aber hier schon längere Zeit erloschen sind.
Vorgenannte Familien bilden mit den ältesten Stammfamilien den Grundstock unserer heutigen Dorffamilie. Ihr Blut tragen fast ausnahmslos alle Dromersheimer in ihren Adern, auch wenn sie nicht mehr ihre Namen führen, wie die Sippenforschung in interessanter Weise klipp und klar beweist. Greifen wir, was für alle eingesessenen Familien gilt, aus der Fülle ein Beispiel heraus. Die Familie Müller hat in ihrer 32. Ahnenreihe (Ur-Ur-Ur-Großeltern) um 1700 folgende Namen: Dickescheid, Schumacher, Hartmann, Pfeifer, Fleck, Schmitt, Grescfc, Desoy, Poth, Gilles, Hassemer, Kronebach, Nagel, Roos, Schäfer und Meiß — außerdem 16 auswärtige Namen (aus Ockenheim, Büdesheim, Gau-Algesheim, Wald-Algesheim, Ober-Hilbersheim, Waldhilbersheim, Bubenheim, Welgesheim, Bibelsheim, Hackenheim, Norheim, Weiler, Ober-Ingelheim, Nieder-Ingelheim, Dickernau in Tirol, unbekannter Ort in Tirol), woraus gleichzeitig ersichtlich ist, dass die oft oberflächliche Behauptung von einer allzugroßen Inzucht keine allgemeine Berechtigung hat.
Einen verheerenden Einfluß auf die Aufwärtsentwicklung der Bevölkerungsbewegung brachte das an anderer Stelle geschilderte Pestjahr 1666. Die Zahl der Todesopfer dieser gefürchteten und heimtückischen Krankheit läßt sich annähernd feststellen aus einem Bericht des Schultheißen und der Schöffen aus dem Jahre 1668, der lautet: „Herdstatt, gebaut und ungebaut (= bewohnt und unbewohnt) seint vor diesem (dem Pestjahr 1666) gewesen 74, jetzo aber, so bewohnt, 42; Männer 39, Weiber und Witweiber 42, Söhne 11, Töchter 8."
Dromersheim hatte also nur noch 100 Einwohner, und in 32 Häusern hatte diese furchtbare Seuche jegliches Leben ausgelöscht. Man kann sicher annehmen, dass der Verlust an Menschenleben über 40% d. i. schätzungsweise ungefähr 100 Personen betrug, was dem gleichen Prozentsatz von Bingen entspricht, das von 3000 Einwohnern bei 1300 und von Gau-Algesheim, das von knapp 1000 Einwohnern etwa 400 verlor. Von den 1618 genannten 57 Familiennamen waren nur noch 9 vorhanden. Der Aderlaß in den letzten 50 Jahren (1618—1668) betrug 73%, dem nur durch neuen Zugang in etwa wieder gesteuert werden konnte. Wie mögen die Menschen in jenen furchtbaren Jahren der Trübsal gefleht haben: „Vor Pest, Hunger und Krieg bewahre uns, o Herr!" Aber trotz aller Schläge geht das Leben weiter und triumphiert schließlich über den Tod. Die heilende Kraft der Zeit läßt Wunden vernarben und Lücken schließen. — Und wieder ziehen die Gewitterwolken des Krieges in endloser Zahl über unser friedliches Dorf in den Jahren 1668, 1674—79 und 1688—97. Im Jahre 1690 verwüstet der französische Mordbrenner Melac die Pfalz und legt auch Dromersheim in Asche. Die Kirchenbücher haben über sein schändliches Tun den Mantel des Schweigens gebreitet, indem sie für dieses Jahr keinerlei Einträge verzeichnen, sicherlich nicht verzeichnen konnten. Ob Menschenleben in Dromersheim dabei zu beklagen waren, bleibt dahingestellt. Im 18. Jahrhundert wird Dromersheim in drei aufeinanderfolgenden Wellen von einer friedlichen Bevölkerungsbewegung erfaßt, die ihre ursächliche Veranlassung in weltpolitischen Ereignissen der damaligen Zeit hatten. Prinz Eugen, der edle Ritter (geb. 1663, gest. 1736), hatte in harten Kämpfen den Ansturm der Türken zurückgeschlagen, Ungarn befreit und den Feind der Christenheit im Jahre 1717 bei Belgrad besiegt. Die befreiten Gebiete, insbesondere Ungarn, mußten zum großen Teil neu besiedelt werden. Der Ruf in fernes fremdes Land fand auch Widerhall in unserem Heimatdorfe, und vom Wandertrieb erfaßt und den Lockungen der Fremde angezogen, wanderten bald darauf etwa 24 Personen aus Dromersheim mit einer großen Schar von Menschen, vor allem aus Süd- und Mitteldeutschland die Donau abwärts über Wien nach Südosten dem neuen, unbekannten Ziele zu. Sie landeten im Banat, wo sie in geschlossenen Dörfern oder Ortsgruppen eine zweite Heimat fanden.
Im Jahre 1724 wanderten aus: Stephan Lamoth mit Ehefrau Katharina geb. Schneider und 5 Kindern, Mathes Kleeß (auch Klos, Klosius-Nikolaus), Hans Wendel Hensel mit Ehefrau Katharina geb. Zimmermann, Johann Adam Grode (Groton = Groß) mit Ehefrau und 1 Kind, Paulus Neuß (Neyß) mit Ehefrau Eva geb. Grising und 1 Kind, Friedrich Kern, Johann Disch (Dischleder?) mit Ehefrau Veronika und 2 Kindern, Peter Schneider, Johann Poth (Podt) und Leonhard Gresch (Grösch).
 
Die ersten Auswanderer scheinen im Banat gefunden zu haben, was sie erhofften, denn im Jahre 1731 folgte dem Vortrupp eine weitere Gruppe, welcher der Weg durch die heimatlichen Verbindungen bereits geebnet war. Es wanderten aus: Wilhelm Ester jun.: Valentin Ester (er kehrte wieder nach Dromersheim zurück und starb am 31. 3. 1739), Martin Wanscheit (Wanschitt) mit Ehefrau Anna Katharina geb. Ester, Johann Hanger. Wilhelm Schäfer mit Ehefrau Maria Sybilla geb. Drepp aus Gensingen und 3 Kinder, Peter Schäfer mit Ehefrau Maria Gertrud geb. Spanier und 3 Kinder, Johann Gresch und Stephan Bauer mit Ehefrau Anna Christina. Im Jahre 1740 folgte als Einzelgänger Valentin Neuß, der in Ungarn starb. Die neue Heimat wirkte wie ein Sog, denn im Jahre 1784—86 wanderte die größte Gruppe von mindestens 40 Personen nach dem Südosten: Johann Pfeifer, (von Beruf Schneider) mit Ehefrau Elisabeth geb. Hubert aus Frei-Weinheim und 3 Kindern, Balthasar Dickescheid, (Tickerscheidt), Bauer, 40 Jahre alt, mit Ehefrau Anna Katharina geb. Lamoth und 2 Knaben, 4 Mädchen und dem Knecht Nikolaus Fleck. Er siedelte sich in Donau-Kimling (Duna-Kömlöd) an. Nikolaus Fleck heiratete später eine Tochter des Bartholomäus Wächter aus Niedermoschel. Johann Kaiser mit Ehefrau Maria Katharina geb. Müller und 9 Kinder, Peter Hartmann, Bauer, 36 Jahre alt, mit Ehefrau geb. Weber und Kindern beiderlei Geschlechts, und der Knecht Johann Schrank. Er siedelte sich in Deutsch-Ker (Nemet-Ker) an. Johannes Schrank, 23 Jahre alt, heiratete später in Ungarn eine Tochter des Bartholomäus Wächter. Adam Emmerich (Jemmerich), 30 Jahre alt, heiratete später die Witwe des Johann Georg Weichlein aus Neubrunn in der Pfalz. Die Orte Kömlöd und Ker liegen in Ungarn westlich der Donau bei Paks und gehören zur „Schwäbischen Türkei". In die Ansiedlerliste in Wien fürs Banat wurden eingetragen: am 16. 5. 1784 Johann Weber, Bauer (wahrscheinlich mit Familie), Lorenz Schmidt, Bauer und Zimmermann, 39 Jahre alt, mit Ehefrau, und am 12. 8. 1785 Henricus Gresch, Bauer, 37 Jahre alt, mit Ehefrau Maria Anna geb. Diebach aus Niedersaulheim und 3 Kinder. Er siedelte sich an in Csakvoa im Banat. Unser um die Heimatforschung sehr verdienter Landsmann Franz Pfeifer, Lehrer in Bingen, der leider allzu früh am 29. 12. 1944 einem Bombenangriff auf Bingen zum Opfer fiel, hatte die Verbindung mit seinen Verwandten, Südostauswanderern, aufgenommen und festgestellt, dass sie in Sitten, Gebräuchen und Mundart die alte heimische Art bis in unsere Tage bewahrt haben. Das Sippenhaupt der Familie Gresch namens Nikolaus wohnte in Velcki-Gay, einer Filiale von Zychydorff, jetzt Mariolava im jugoslawischen Teile des Banats.
 
Vorgenannte drei Auswanderungslisten können keineswegs den Anspruch auf Vollständigkeit erheben, denn wir sehen, dass 60 Jahre nach der ersten Auswanderung die neue mit der alten Heimat noch in lebendiger Verbindung stand, so dass mancher Ungenannte in der Zwischenzeit noch zum Wanderstab gegriffen haben mag. Mit Bestimmtheit dürfen wir annehmen, dass etwa 100 Personen, d. h. ein Drittel der Gesamtbevölkerung in rund 60 Jahren den Weg nach Ungarn und das Banat gefunden haben, was für unser kleines Dorf eine ungeheuere Blutentnahme bedeutete.
 
In der neuen Heimat lebten ihre Nachkommen bis zur Beendigung des zweiten Weltkrieges, der ihnen ein furchtbares Schicksal brachte. Als die Ostfront immer näher rückte, wurde ein Teil der Auswanderer von den deutschen Behörden in unübersehbaren Transporten mit nur wenigen Habseligkeiten nach dem Westen evakuiert. Der Verfasser dieser Zeilen war Augenzeuge dieses Trauerspiels einer modernen Völkerwanderung größten Ausmaßes aus Jugoslawien und Ungarn. Resigniert gingen sie einer unbekannten und ungewissen Zukunft entgegen. Durch den Urteilsspruch der Siegermächte nach dem Kriege jagte der Sturmwind einer erbarmungslosen und ungerechten Austreibung eine weitere Zahl von Heimat und Scholle, wobei viele durch Entbehrungen und Strapazen den Tod fanden.
 
Durch Desertionen von Dromersheimer Soldaten, die „unserem gnädigen Kurfürst und Herrn zu Mainz" davonliefen, wurde unser Dorf in den Jahren 1750—1758 um sieben, und in den späteren Jahren bis 1781 um zwölf junge Menschen geschwächt, da sie ihren Heimatboden nicht mehr betreten konnten. Kein einziger ist in den Sterberegistern der Kirchenbücher verzeichnet.
 
Eine genaue Einwohnerzahl vernehmen wir wieder gelegentlich einer Auseinandersetzung um die Besetzung einer Schulstelle im Jahre 1772. Sie wird angegeben mit 113 Männern, 113 Frauen, 12 verwitwete Personen und 70 Kindern, also 308 Seelen. Die Zahl der Häuser war 130, darunter zwei Judenhäuser. In den nächsten 30 Jahren hatte Dromersheim eine starke Zunahme zu verzeichnen. Im Jahre 1802 betrug die Seelenzahl 516, darunter 18 Juden (keine Evangelischen). Im Jahre 1806 = 534 (105 Männer, 105 Eheweiber, 130 Mädchen, 180 Knaben, 12 Witwer, 2 Hagestolze, 0 Knechte, 0 Mägde, 0 Witwen); 1807 = 630 (130 Männer, 130 Eheweiber, 130 Mädchen, 190 Knaben, 10 Witwer, 5 Hagestolze, 2 Knechte, 18 Mägde, 15 Witwen).
Im Jahre 1814 hatte Dromersheim die größte Sterbeziffer in einer Zeitspanne von 280 Jahren (1676—1956). Das Kirchenbuch verzeichnet 54 Todesfälle, darunter 27 Kinder im Alter bis 14 Jahre. Bekanntlich war durch den Rückzug der in Rußland geschlagenen napoleonischen Heere das „Lazarettfieber" aufgetreten, das in Städten und Dörfern große Opfer auch unter der Zivilbevölkerung forderte.
Im Jahre 1815 hatte es 616, im Jahre 1829 = 892 Einwohner in 137 Häusern (851 Katholiken, 1 Evangelischer und 40 Juden) und im Jahre 1846 = 925 Einwohner.
Zehn Jahre später (1856) hatte es Tausend überschritten mit 1068 Einwohnern (darunter 42 Juden) in 184 Wohnhäusern. Die weitere Entwicklung zeigt folgendes Bild:
1880 = 1106; 1
890 = 1099 (1071 Katholiken, 4 Evangelische, 24 Juden); 1900 = 1061 in 216 bewohnten Häusern; 1910 = 995 in 219 Häusern (964 Katholiken, 9 Evangelische, 22 Israeliten);
1925 betrug die Wohnbevölkerung 986 (Ortsanwesende 1001), darunter 966 Katholiken, 7 Evangelische und 13 Juden);
1930 = 986 (966 Katholiken, 7 Evangelische, 13 Juden).
Überblicken wir die Zeit von 1829—1930, so stellen wir fest, dass Dromersheim in diesen rund 100 Jahren nur 94 Seelen zugenommen hat. Im Jahre 1880 hatte es seinen Höhepunkt erreicht. Für diese auffallende Erscheinung geben uns die Register über die Wegzüge und Auswanderung die Erklärung. Eine große Menge von Einzelpersonen sowie ganze Familien haben ihren Heimatort verlassen, um besonders in den umliegenden Städten und auch größeren Dörfern sich niederzulassen, wo sie bessere Lebensverhältnisse und Lebensbedingungen erhofften. Andrerseits wählte eine große Zahl den Weg über das weite Meer nach der Neuen Weit, nach Nord- und Südamerika und vereinzelt auch nach anderen außerdeutschen Ländern. Es bewahrheitet sich wiederum der Satz, dass das bäuerliche Land der Blutquell für die Städte und auch für aufnahmefähige fremde Länder ist, wo die Menschen infolge eines unabdingbaren Assimilationsprozesses mit der Zeit für Heimat und Volkstum verloren sind. Hier soll nur der Auswanderer über die deutschen Landesgrenzen, vor allem nach Amerika gedacht werden, wo sie hoffentlich das erträumte Land ihres Glückes gefunden haben. Schon ab 1820 hatten Auswanderungen nach Ubersee stattgefunden, von denen bekannt sind: 1824, Franz Josef Wenz, geb. 17. 3. 1806, lediger Sohn des Georg Wenz. Der Vater Georg Wen/, folgte als Witwer um 1845 nach. Genauere Aufzeichnungen besitzen wir erst ab 1853. Sie vermitteln ein anschauliches Bild von dem großen Verlust an Menschenleben, den unser Heimatdorf an die Fremde abgab, wo vielfach bereits seßhaft gewordene Verwandte und Bekannte ihnen die Zielrichtung ihrer Auswanderung vorgezeichnet hatten. Einzelne kehrten auch wieder zurück und starben in Dromersheim. Sie sind in der folgenden Zusammenstellung ausgelassen worden.
 
Es wanderten aus:

1849 15.Juni, Wiegand, Maurer, geboren in Bingen, wohnhaft in Dromersheim, nach Amerika; 30. September, Johann Schmitt, nach Nordamerika
1850

Am Samstag nach Ostern.
Peter Gregory, geb. 14. 7. 1821, lediger Sohn von Heinrich Gregory, nach Amerika;
23. Mai, Valentin Weis, geb. 13. 1. 1816, lediger Sohn des Bäckermeisters Johann Philipp Weis und Ehefrau Margarete geb. Lunkenheimer; Hartmann Johann Adam 1, mit der zweiten Ehefrau Gertrude geb Stein und 8 Kindern. Die Tochter Therese starb auf der überfahrt und die Leiche wurde in die See versenkt. Die Kinder hießen: Michael, geb. 5. 2. 1824, Therese, geb. 3. 11. 1826, Katharina, geb. 29. 6. 1830, Peter, geb. 11. 5. 1833, Valentin, geb. 9. 5. 1835, Anton, geb. 28. 2. 1837, Anna Maria, geb. 29. 11. 1841 und Philipp geb. 1. 11. 1846.

1853 Anna Maria Kaiser, geb. 6. 2. 1836, nach Santa Fe (argentinische Provinz längs des Flusses Paranä in Südamerika); Anna Maria Dickescheid, geb. 14. 1. 1835, nach Dietersheim, später nach Brasilien
1854 Katharina Huber, geb. 15. 12. 1831, nach Mainz, später nach Amerika; Heinrich Hensel, geb. 30. 10. 1803, verh. 5. 4. 1832 mit Katharina Margareta Mayer aus Büdesheim, als Knecht nach auswärts, später nach Amerika; Barbara Pfeifer, geb. 1.11. 1834, als Magd nach Horrweiler, später nach Amerika; Anton Kutscher, geb. 24. 3. 1834, nach Amerika; Christian Barth, geb. 12. 11. 1821, in Ockenheim, verh. 15. 4. 1849 mit Anna Maria geb. Lamoth, mit Frau und Kindern Christian und Franz Anton, nach Amerika; Jakob Mauer, geb. 5. 1. 1820, nach Amerika; Nikolaus Tischleder, Sohn von Peter Tischleder, geb. 19. 4. 1795, und Frau Ottilia geb. Gresch, nach Amerika; Margareta Roos, geb. 18. 4. 1834, nach Amerika; Christina Gregory, geb. 9. 10. 1827, nach Amerika; Peter Mauer, geb. 22. 1. 1825, nach Amerika; Nikolaus Mauer, geb. 10. 4. 1831, nach Amerika.
1855 Wilhelm Hensel, geb. 1. 1. 1809, mit Familie nach Amerika; Friedrich Kippenberger, geb. nicht in Dromersheim, nach . .; Anna Maria Roos, geb. 19. 8. 1836, nach Amerika; Franz Kaiser, geb. 20. 4. 1806, verh. 13. 9. 1829 mit Katharina geb. Alt aus Boppard mit Kindern Johann Josef, Anna Maria, Maria Elisabeth, Gertrud, Valentin und Juliana, nach Santa Fe; Anton Schreiber, geb. 4. 5. 1826, nach Santa Fe; Apollonia Hang, geb. 6. 10. 1827, nach Santa Fe, später verheiratet in Darmstadt; Jakob Hang, geb. 20. 5. 1814, verh. 11. 5. 1847 mit Anna Maria geb. Schäfer und den Kindern Johann und Leonhard, nach Santa Fe; Anna Maria Paulus, nach Santa Fe
1856 Margareta Grimm, geb. 16. 1. 1832 in Aspisheim, wohnhaft in Dromersheim, nach Nordamerika; Barbara Gregory, geb. 26. 5. 1834, nach Nordamerika; Johann Dickescheid, geb. 1. 10. 1829, nach Nordamerika; Juliana Paulus, geb. 27. 9. 1836, als Magd nach Böhmen (bei Prag), erhält 1861 einen Reisepaß nach Deutschland, Frankreich, England, Italien, Schweiz und Rußland.
1857 Martin Kern, geb. 4. 1. 1836, in die Schweiz, Kanton Zürich.
1858 Hermann Josef Fleck, geb. 19. 8. 1825, nach Nordamerika; Leonhard Fleck (Geburt unbekannt), nach Nordamerika; Anna Maria Huber geb. Hartmann, Witwe, geb. 20. 2. 1804 mit vier Kindern — wahrscheinlich zu ihrer Tochter Katharina (siehe 1854), nach Nordamerika; Heinrich Nathan, nach Nordamerika; Johann Georg Paulus, geb. 17. 3. 1823, mit Familie nach Böhmen.
1859 Josef Kaiser, geb. 8. 11. 1832, nach Santa Fe.
1860 Sebastian Schumacher, geb. 12. 9. 1833, nach Amerika; Juliana Gregory geb. Schüler, Witwe, geb. 16. 11. 1795, und ihr Sohn Martin, geb. 15. 4. 1839, Schreiner, nach Nordamerika; Jakob Lamby, geb. 21. 10. 1813, verheiratet in Eltville, ausgewandert mit der Familie; Anna Maria Hensel, nach Amerika.
1861 Helene Mohr, geboren wahrscheinlich in Sauer-Schwabenheim, heute Schwabenheim, zu ihrem Bruder Jakob Mohr, Lehrer, nach Amerika.
1862 Franz Hassemer, geb. 16. 1. 1830, nach Amerika; Peter Schäfer, geb. 27. 1. 1827, nach Nordamerika; Peter Hartmann 3. (geb. ?); Peter Jakob Hensel, geb. 9. 8. 1843, nach Nordamerika; Katharina Fleck, geb. 24. 3. 1843, nach Nordamerika.
1864 Georg Dickescheid, geboren vermutlich in Ebersheim, Metzger, nach Nordamerika.
1868 Andreas Mauer, geb. 31. 3. 1841, nach Nordamerika; Heinrich Pfeifer, geb. 24. 9. 1838, verh. mit Katharina geb. Thomas, geb. 1837 in Appenheim, mit Kindern Elisabeth und Johann Peter nach Santa Fe.
1869 Adam Kippenberger, geb. 9. 2. 1844, nach Nordamerika.
1872 Katharina Breivogel (Geburt unbekannt) nach Nordamerika; Valentin Roos, geb. 22. 9. 1847, nach Belgien und Frankreich.
1873 Anna Margareta Lamoth, geb. 15. 6. 1850, verh. mit Adam Mühn aus Bodenheim, nach der Kolonie St. Hieronimi in Argentinien. Ein Sohn von ihnen ist dort Bischof.
1879 Friedrich Josef Hartmann, geb. 10. 9. 1854, nach Santa Fe; Jakob Jox 2., geb. 29. 3. 1849, nach Santa Fe; Johann Philipp Fleck, geb. 28. 11. 1851, nach Santa Fe.
1880 Valentin Gangluff, geb. 21. 4. 1839, verh. mit Philippina Dickescheid, geb. 4. 7. 1842, mit 5 Kindern nach Amerika.
1881 Sebastian Ockstadt 2., geb. 16. 9. 1836, verh. mit Justina Margareta Luff, geb. 28. 9. 1842 in Aspisheim, Maurermeister mit den Kindern Sebastian, Philipp, Johanna Maria, Heinrich, Elisabeth, Peter Josef und Katharina nach Nordamerika. 1883 Josef Hartmann, abgereist am 29. 7., geb. 8. 4. 1859, nach Nordamerika.
1886 Martin Hartmann, abgereist am 6. 3., geb. 28. 4. 1867, verheiratet in Amerika mit Barbara Brutger, geb. 30. 9. 1867 in Dromersheim, nach Nordamerika; Josef Brutger, abgereist am 6. 3., geb. 8. 10. 1861, nach Nordamerika; Peter Paulus 2., Wtw., geb. 15. 1. 1836, mit den Kindern Peter Josef, Maria Anna, Leonhard und Jakob nach Nordamerika.
1887 Johann Fleck 3., geb. 2, 12. 1857, Küfer, nach Nordamerika; Philipp Brutger, Witwer, geb. 22. 4. 1837, Landwirt, mit den Kindern Johann Philipp, Barbara, Philipp und Elisabeth nach Nordamerika; Anton Jakob Fleck, geb. 3. 3. 1861, nach Nordamerika.
1891 Josef Schmitt, abgereist 18. 7., geb. 12. 2. 1871, nach Nordamerika.
1892 Georg Hartmann, abgereist am 18. 2., geb. 4. 5. 1873, nach Nordamerika; Johann Georg Pörtner Wtw., geb. 18. 11. 1859; Maria Susanna Pörtner, abgereist 12. 9., geb. 14. 12. 1881, nach St. Louis.
1893 Josef Hassemer, abgereist 20. 5., geb. 19. 10. 1876, nach Nordamerika. 1896 Anton Fleck, geb. 30. 2. 1866, gestorben in New York im Juli 1952. 1901 Anton Paulus, geb. 1865.
1903 Anton Hassemer, geb. 15. 11. 1880, abgereist im April nach Nordamerika.

Das 20. Jahrhundert forderte durch die beiden Weltkriege von 1914 bis 1918 und von 1939 bis 1945 einen hohen Blutzoll an jungen blühenden Menschenleben in der Vollkraft ihrer Jahre. Im ersten Weltkrieg starben den Heldentod für Volk und Vaterland 42, im zweiten Weltkrieg 33 Soldaten, wozu noch 30 im Osten Vermißte kommen, und 14 trugen mehr oder weniger große körperliche Schädigungen davon. Zum ehrenden und dauernden Gedenken sollen ihre Namen diesem Kapitel folgen. Gegen Ende des zweiten Weltkrieges, als die feindlichen Luftgeschwader in pausenlosen Angriffen die deutschen Städte mit Bomben und Phosphor in Schutt und Asche legten, kamen zahlreiche Evakuierte, besonders aus der Nachbarstadt Bingen, aber auch aus Frankfurt, Mannheim, Hadamar, Essen, Deutz, Krefeld, Berlin und Mönchen-Gladbach nach Dromersheim, wodurch die Einwohnerziffer rasch in die Höhe ging. Bis zum Jahre 1946 belief sich die Gesamtzahl der Evakuierten auf 114 Personen. Nach dem Kriege kehrten sie, soweit sie in der alten Heimat eine Wohnung fanden, all-mählich wieder zurück. Später kamen Flüchtlinge und Heimatvertriebene aus dem Osten, wodurch die Bevölkerungszahl ebenfalls wieder einem erheblichen Einfluß unterworfen war. Die ersten Flüchtlinge, die im Jahre 1945 kamen, waren Kriegsgefangene aus den Ostgebieten, die in ihre Heimat nicht mehr zurückkehren konnten. Bis zum 30. Juni 1953 vermehrte sich der Zugang auf 112 Personen, die aus Oberschlesien, dem Sudetengau, Ostpreußen, der Tschechoslowakei, dem Banat und einer deutschen Siedlung bei Odessa in der Ukraine kamen.
 
Nach der Volkszählung am 29. 10. 1946 hatte Dromersheim 1105 Einwohner, darunter 999 Katholiken, 105 Protestanten, 1 Andersgläubiger (siehe Binger Land); 1956 hatte Dromersheim 1186 Einwohner, männlich 529, weiblich 657, darunter 1151 Katholiken, 34 Protestanten, 1 ohne Bekenntnis.

       
Inhaltsverzeichnis
Quellen:
Müller: Chronik von Dromersheim

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