Im 14. Jahrhundert waren im allgemeinen die territorialen Besitzverhältnisse durch den Ausgleich von Fern- und Streubesitz zu einer gewissen Abrundung und Festigung gekommen, weshalb viele Landesherren darangingen, ihre Grenzen zu sichern und zu schützen. Das war üblich und mehr oder minder auch vonnöten, und der Kurfürst und Erzbischof von Mainz machte darin keine Ausnahme. In seinem rechtsrheinischen Taunusgebiet war es das sog. Rheingauer Gebück, einem bis zur Undurchdringlichkeit verwachsenen, umgebückten oder umgebogenen Hainbuchengestrüpp, in seinem linksrheinischen Besitztum, das aus dem Mainzer Gebiet und den Ämtern Olm und Algesheim bestand, die Landwehren und Landgräben. Wo die natürlichen Gegebenheiten und Geländeverhältnisse einen gewissen Schutz boten, verzichtete man auf besondere Sicherheitsanlagen. Das Amt Algesheim umzog stellenweise ein Landgraben gegenüber den nicht mainzischen Orten Bergen (Laurenziberg), Aspisheim, Horrweiler, Grolsheim und Sponsheim. Die Mäskoppsche Gemarkungsbeschreibung aus dem Jahre 1577 sagt uns für die Dromersheimer Gemarkung folgendes: ?Was die Berger Gemark anlangt, scheiden von dem Zeichen Arietis (Widder) bis zum Zeichen Tauri (Stier) acht Marksteine. Der erste ist ein Eckstein in der Landwehr und scheidet drei Gemarkungen: Ockenum, Dromersum und Bergen. Vom Gralsumer Eckstein Librae (Waage) bis zum Spansumer Eckstein Scorpionis (Skorpion) bei dem Gericht am Landgewehr scheiden neun Malsteine, und am letzten bei dem Gericht geht die Didersumer Gemark an über das Landwehr. . . . Bis an dem letzten Eckstein in dem Landgraben sind noch vier Steine und scheidet Ockenum, Dromersum und Bergen." Der letzte Teil des Landgrabens nahm hart westlich des Dorfes seinen Anfang und zog in fast schnurgerader Richtung bis zur Nahe bei Dietersheim. Er bestand aus einem trockenen, mit Effenbäumen, (Ulmen oder Rüstern), Hecken und Gesträuch bestandenen, etwa 8 Meter breiten Graben, dessen Verlauf bis in die jüngste Zeit noch genau gekennzeichnet war. Aus dem Jahre 1668 wird berichtet, dass darin wilde Obstbäume standen, zu denen die Gemeinde berechtigt war, die Effenbäume gehörten dem Kurfürsten von Mainz, und das ?Schnätzell" (Schnitzelholz = Abfallholz; vergl. das heute noch gebräuchliche Weinbergsgerät ?Schnetzeisen") hat jederzeit der Schultheiß genossen. Im Jahre 1773 wurde der Gemeinde von der Mainzer Regierung der Vorschlag gemacht, den Landgraben urbar zu machen und den Dorfgraben den Einwohnern als Gärten zu verkaufen. Der Lehrer Bletz sollte die beiden Gräben vermessen. Der Grund lag darin, dass infolge des Anwachsens der Zahl der Schulkinder auf 120 eine zweite Lehrkraft (Gehilfe) notwendig geworden war, wozu sich die verarmte Gemeinde außerstande erklärte, 75 bis 100 Gulden jährlich aufbringen zu können. Indes, der wohlgemeinte Rat fand kein Gehör, denn die wirtschaftlichen Interessen hatten den Vorrang vor den kulturellen. So lesen wir, dass in den weiteren Jahren das Obst im Landgraben noch alljährlich zur Versteigerung kam. Das letzte Stück des Landgrabens in der Dromersheimer Gemarkung wurde durch die Feldbereinigung im Jahre 1938 unkenntlich gemacht, indem es an die Aufstoße aufgeteilt wurde. Es war der einzige in ost-westlicher Richtung bis zur Gensinger Chaussee hinziehende Acker, der unmittelbar nördlich am Landgrabenweg lag und auch auf der anderen Seite von einem, meist mit Gras bewachsenen Weg begleitet war. Bis zuletzt war er der Länge nach in vier Parzellen aufgeteilt, die sich im Besitz von Jakob Hassemer 2., Christina Schumacher, Adam Pfeifer 1. und Philipp Hartmann befanden. Unterhalb der Gensinger Chaussee fand der Landgraben seine Fortsetzung entlang des Sponsheimer Weges in Richtung Dietersheim.
Ein stummer Zeuge hielt noch die Erinnerung an die einstige Wehrhaftigkeit des Landgrabens bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts wach. Es war dies die sog. ?Große Effe", die auf dem Rande des Grabens in geringer Entfernung westlich der um 1840 erbauten Gensinger Chaussee stand und Zigeunern, fahrendem Volk und Wegelagerern als ?Vagabundenplatz" diente. Im Jahre 1860 trug man sich mit dem Gedanken, einiges Feld um diesen Baumriesen herum zu pachten oder anzukaufen und den Platz mit Ziersträuchern, Bäumchen und Bänken als Anlage zu gestalten, ?um ihn als Zierde zu erhalten". Kurz danach änderte man jedoch seine Absicht und beschloss, ihn zu veräußern und mit den ?übrigen dürren Bäumen auf dem Ortsgraben zu verkaufen", was jedoch vorerst noch nicht zur Ausführung kam. Seit dieser Zeit aber schwebte das Damoklesschwert über seinem stolzen Haupt. Die Vollstreckung seines Todesurteils fällt in das Jahr 1884. Als Lagerplatz für allerlei Gesindel lästig geworden, als riesiger Baum für größeren Feldschaden haftbar gemacht und vom Blitzstrahl mehrfach in seinem Werte herabgemindert, wurde die Axt an seine Wurzeln gelegt, womit dieses alte Wahrzeichen für immer verschwand. Das obengenannte Gericht am Landgraben stand nach dem Plan von Maskopp 1577 (Mainzer Risse und Pläne Nr. 10, Staatsarchiv Würzburg) in der Gemarkung Dromersheim am Eckstein Skorpion. 1668 wird berichtet, dass hier ein Halsgericht gestanden hat, wo noch Steine liegen, ?und hat unser gn. Kurfürst und Herr zu Mainz über Hals und Haupt (= Leben und Tod) zu befehlen". An der Stelle dieses Galgens sind schon mehrfach Menschenknochen gefunden worden, und im Jahre 1916 hat man hier in der Erde einen großen Stein festgestellt.
Dromersheim hatte auch noch eine eigene Dorfbefestigung in einem breiten, vollständig mit Effenbäumen und Hecken bestandenen Graben und Wall. Das Gestrüpp war so dicht verwachsen, ?dass kaum ein Hund durchkommen konnte, die Dornen so groß und stark, dass sie zu den Salinen in Kreuznach verwendet wurden". Der Verlauf des Grabens ist gekennzeichnet durch die Obere Grabenstraße (Kästrich) und die Untere und Hintere Grabenstraße (Neugasse). Das schmale Verbindungsstück dicht um die Kirche wurde um 1832 eingeebnet und zu einem Weg hergerichtet. Damals wurde der Friedhof auch mit Mauer und Lattenzaun eingefasst. Von der Oberen Grabengasse zog der Graben hinter dem alten Pfarrhaus her über die damals noch nicht vorhandene Aspisheimer Straße (erbaut 1844) und Bleiche, vorbei am Bullenstall (erbaut 1896) zur Unteren Grabenstraße. Seine Breite erstreckte sich von der Pfarrhausmauer bis zu den Häusern der Schulgasse, die auf dem Walle errichtet sind. Hier hatte sich das alte Grabenidyll am längsten erhalten bis zur Feldbereinigung 1938, die das Gelände als Pflanzgärten aufteilte. Bereits im Jahre 1880 hat im Auftrage der Gemeinde Johann Mauer I. ca. 34 Grabenbäume gefällt, so dass heute nur noch wenige erhalten sind. Eine Gruppe von drei mächtigen unter Denkmalschutz stehenden Effenbäumen erhebt sich auf erhöhter Stelle am Wasserbehälter bei der ehemaligen Steigerpforte, und weitere stehen vereinzelt noch entlang der Oberen Grabenstraße in den Gärten von Andreas Fleck Wwe, Johann Hartmann 5., Wilhelm Pfeifer und Heinrich Dickescheid in der Schulstraße. Schösslinge in den Gärten der Unteren Grabenstraße, die bereits eine ansehnliche Größe erreicht hatten, wurden 1920 umgeschlagen. Der Name Heckengasse außerhalb des Walles der Hinteren Grabenstraße zeugt noch von dem Aussehen des Dorfbildes vor den großen Veränderungen der letzten 150 Jahre, die den alten Dorfring sprengten und Zug um Zug ein Stück nach dem anderen zum Verschwinden brachte.
Als der Wallgraben noch die Ausdehnung des Dorfes beschränkte und bestimmte, waren eine Menge kleiner, z. T. aus Lehm gebauter Häuschen vorhanden, die nach und nach abgebrochen wurden. Solche befanden sich z. B.: 2 auf dem Gärtchen rechts neben dem Hause Dr. Weick (Langgasse 192). Das eine stand an der Straße, das andere weiter unten abgebrochen 1860. 1 in der Ecke des oberen Reilchens (Verbindung Schmitt- und Dietengasse). Es wurde mit Haus Schmittgasse 188 vereinigt. ? 2 im Antoniusgäßchen ? 4 auf dem Garten Ecke Pfarr- und Aspisheimer Straße. ? 2 Untere Dietengasse an der Straße vor dem Neubau Ambrois Pfeifer, ? 2 Untere Grabengasse, heute Lagerhaus von Heinrich Josef Fleck und gegenüber ? 2 Untere Dietennebengasse rechts, heute neue Glaswerkstatt von Heinrich Josef Fleck ? 1 Obere Dietennebengasse, zwischen Karl Josef Fleck und Martin Lamoth ? 1 Obere Grabengasse gegenüber dem Hause Martha Müller Nr. 52 (5), jetzt dreieckiges Gärtchen. Auch die schon erwähnte Feldbereinigung hat am Rande unseres Dorfes Veränderungen hervorgerufen, die schon bald im Volksbewußtsein der Vergessenheit anheimfallen, da erfahrungsgemäß die historische Entwicklung leider zu wenig von Generation zu Generation mündlich weitergetragen wird. Die hauptsächlichsten Neuerungen mögen daher in kurzen Umrissen hier folgen:
- über die ehemalige Obere Bleiche führte ein Pfad vom Ende der Oberen Grabengasse beim Friedhof quer zum Helgerweg, der sich hinter den Häusern hinzog bis zum Garten der Geschwister Weber am Edesberg. Bleich und Helgerweg sind zu Gärten umgewandelt worden.
- Die Dalbusgasse wurde durch einen Weg gradlinig über die Obere Grabengasse hinaus in den Baffert fortgesetzt. Diese Linienführung kennzeichnet den Verlauf des ehemaligen Hungerbaches, der zuletzt noch als Flutgraben vorhanden war und bei der Oberen Grabengasse durch eine Brücke floss. Das Wegstück zwischen den beiden Häusern war Hof und Gartengelände.
- Die ehemalige Untere Bleiche war am Rande des Bullenstalles durch einen Zaun mit Tür und in ihrer breiten Rundung zur Gemarkung hin durch einen Zaun verschlossen. Die neu angelegten Wege zur Bein durchbrachen die alte Einfriedigung. Neben dem ehemaligen bis 1896 benutzten Spritzenhaus, jetzt Pumpstation und Milchsammelstelle, führte durch ein Eingangstürchen ein Pfad, der von einem Graben begleitet war, über die Bleiche zum unteren Ausgang.
- Die Dietengasse wurde über die Untere Grabengasse hinaus durch einen breiten Weg in den Schwendel geöffnet. Zuvor war sie hier durch Gärten abgeriegelt, an denen oben und unten ein Graben entlang zog. Beide vereinigten sich durch eine rechtwinklige Verbindung durch den Lamothschen Hausgarten, in dem noch Rüstern und Gestrüpp standen. Neben den vereinigten Gräben, die den beiden Häusern entlang die Abwässer der Schmitt-, Dieten-, Neu-, Heckengasse zum Graben der Untergasse führte, befand sich ein schmaler Pfad, der zu einem Weg verbreitert wurde.
- Auch der Durchbruch am unteren Ende der Neugasse neben dem Lagerhaus von Glasermeister Heinrich Josef Fleck wurde neu geschaffen.
- Ebenso wurde die durch die Feldbereinigung geplante und etwas später ausgeführte gradlinige Verbindung von Neu- und Schlackengasse (Binger-Nebengasse) neu angelegt. Eine Hofseite und ein Schuppen mussten hier beseitigt werden. In früherer Zeit öffneten 8 Gemeindefreiwege (von Hindernissen freizuhaltende Wege) am Ende der Straßen den Weg über den Graben in die Gemarkung, und drei übermauerte, mit Wohnungen für die Pförtner versehene Tore verbanden Dromersheim mit der Außenwelt. Die obere Pforte an der Kirche wurde beim Bau derselben im Jahre 1775 niedergelegt. Am 22. 7. 1777 wurde ?das alte Holz von der oberen Pforte sowie das Gehölz von dem Chor und der Kommunionbank, die in der alten Kirche stand und auf dem Rathaus sich befand", in 12 Losen versteigert. Die Steigerspforte am damaligen Ende der Steigergasse (Nr. 74 von Alois Hochthurn) verschwand im Jahre 1797. Eine angestrebte Versteigerung als Ganzes kam nicht zustande, weshalb man sie in einzelnen Teilen gegen Barzahlung veräußerte. Für das ?noch gute und brauchbare Holz" erzielte man in 23 Losen den Betrag von 21 fl. 50 Kr., worin der Preis der zwei Torflügel, die Adam Nagel für 12 fl. 35 Kr. gesteigert hat, enthalten war. Die Steine erstand Valentin Fügen (9 fl. 40 Kr.) und den ?Grund" Heinrich Weber (2 fl. 10 Kr.). Die untere Pforte befand sich in der Untergasse an dem freien Platz neben dem Eichhäuschen, wo beim Bau der Wasserleitung im Jahre 1928 die ?Wied" (erbaut 1844), ihr Dasein aufgab. Sie verfiel im Jahre 1818 der Spitzhacke. Das bei der Kirche befindliche kleine Hirtenhaus (Versicherungswert 50 Gulden) wurde 1820 abgerissen. So lag unser mittelalterliches Dörfchen ?wohlumheget hinter Graben, Wall und Effen, sicher gegen Wetter, Stürme und des Feindes frevlem Treffen". (Spang.)
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