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Die Alte Chronik von 1956

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Die französische Invasion und die Herrschaft Napoleons

Als die Franzosen im Jahre 1792 sich anschickten, Hand an das Leben ihres Königs zu legen, sandten der deutsche Kaiser und der König von Preußen zu seiner Rettung ein Heer nach Frankreich, dem bald ein französisches Heer von 18 000 Mann unter Custine entgegenkam. In größter Eile erreichte dieser am 21. Oktober 1792 Mainz und konnte kampflos in diese Stadt einziehen, aus der der Kurfürst Friedrich Karl Josef von Erthal, der Klerus und die Adligen frühzeitig geflohen waren. Schon zwei Tage vorher war Bingen von den Franzosen besetzt worden. Mit dem Einzug der Truppen fand auch die Parole „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit" Eingang in das mit Lasten und Abgaben schwer beladene Volk. Etliche glaubten, ihre Freiheit sei jetzt gekommen, bildeten den Bund der „Freunde der Revolution" und suchten das Volk zum Anschluss des Rheinlandes an Frankreich zu bewegen. Nachdem Mitte Dezember 1792 der Nationalkonvent von Paris die „Souveränität des Volkes und die Abschaffung der Privilegien" beschlossen hatte, das Volk aber wenig Neigung zeigte, mit Frankreich vereinigt zu werden, suchten die neuen Herrscher ihr Ziel über die Geistlichkeit zu erreichen. Man ordnete an, dass statt Predigt und Christenlehre in den Kirchen die Bevölkerung über die französischen Anordnungen und Bekanntmachungen zu unterrichten sei. Die Priester sollten auch den Eid auf die fränkische Verfassung leisten. Der damalige Pfarrer Väeth von Dromersheim lehnte dieses Ansinnen ab wie die Pfarrer Gentil in Bingen, Fuchs in Kempten, Schaberger in Dietersheim und viele andere. Sie wurden deshalb verbannt, und an ihre Stelle traten die wenigen sogenannten „Bürgerpfarrer", die den verlangten Eid abgelegt hatten. In Dromersheim amtierte in jener Zeit ein Kaplan Valentin Volk, wie aus folgender, von ihm selbst geschriebenen Quittung vom 8. März 1793 hervorgeht: „Ich Unterschriebener bescheinige hiermit, dass ich vom Bürger Maire Schumacher zehn Gulden für mein verflossenes Quartal richtig empfangen habe. Valentin Volk, Bürger und Kaplan." Am 5. April 1793 konnte Väeth, der während seiner Verbannungszeit in Aschaffenburg Unterkunft gefunden hatte, wieder nach Dromersheim zurückkehren, nachdem die Feinde aus der Gegend vertrieben waren. Im März des Jahres erschienen nämlich deutsche Truppen bei Bingen, und Custine sah sich gezwungen, ihnen Soldaten von Mainz nach Kreuznach entgegenzuschicken, um ihnen den Weg über die Nahe zu versperren. Trotzdem rückten die Alliierten vor, und die Franzosen mussten sich am 23. Juli auch aus dem belagerten Mainz zurückziehen. Dass auch Dromersheim in jener, wenn auch nicht langen Besatzungszeit zu leiden hatte, beweist eine Notiz, welche an der Ziegelhütte Beschädigungen aufführt, die durch die „Kriegsvölker" entstanden.
Eine Verfolgung der Feinde unterblieb jedoch wegen Unstimmigkeiten zwischen den Alliierten. So ist es kein Wunder, dass die Franzosen schon im Herbst 1794 wieder vor Mainz erschienen, es auf der linken Rheinseite einschlossen und belagerten. Damit war auch unsere Heimat wieder ins Kriegsgebiet einbezogen. Von neuem kamen Drangsale der Feinde über die Bevölkerung. Forderungen aller Art (Kontributionsgelder, Einquartierungskosten, Naturallieferungen, besonders Hafer und Gerste, Executionskosten, Requisitionen und dergl.), Arbeitsleistungen und Gespanndienste waren an der Tagesordnung. Wenn auch die Feinde ohne große Kampfhandlungen sich um Mainz lauernd gegenüberlagen — links die Franzosen, rechts deutsche Truppen —, so wurde die Bevölkerung doch stets durch kleinere Schießereien in Furcht und Schrecken gehalten, denn zwischen Bingen und Mainz waren etwa 7000 Mann als Belagerungsarmee zusammengezogen. Die Lager mussten von den Einwohnern aufgebaut werden. Eines davon, auf dem Rochusberg gelegen, verlangte, dass von Binger Holzhauern das Holz geschlagen und herbeigeschafft wurde, und 400 Mann aus der Umgegend hatten mit Schippen und Karst zu Hilfsarbeiten anzutreten. Sicher waren auch von unseren Vorfahren einige darunter. Da nahm das Kriegselend kein Ende, und Kontributionen folgten auf Kontributionen.
Obwohl die Preußen in dem Frieden von Basel im Jahre 1795 den Franzosen das ganze linke Rheingebiet überließen, gelang es den Österreichern, sie aus Mainz zu vertreiben. Auf ihrer Flucht hausten sie in der ganzen Gegend.
Im Herbst 1796 kamen sie wieder und blieben bei wechselndem Kriegsglück da bis zu ihrer Niederlage in Russland. Am 28. Oktober jenes Jahres müssen besonders in dem Weinbergsgebiet unserer Gemarkung harte Kämpfe stattgefunden haben, wie aus der folgenden Zusammenstellung hervorgeht: „Tabellarisches Verzeichnis über den von den Franzosen in dem Amt Algesheim des dazugehörigen Ortes Drommersheim angerichteten und erlittenen Schaden nach allen Gattungen, dessen man von Nöten erachtet hat anzuführen, und welches mit einiger Verlässlichkeit angegeben werden könne." Darin werden 101 Namen genannt, dann 9 Forensen und die Gemeindekasse, dann nochmal 72 Namen (wahrscheinlich auswärts wohnende und beschäftigte Dromersheimer). Unter letzteren steht auch das Stephansstift von Mainz, das einen Verlust angemeldet hat von 500 fl. an Wein und 1000 fl. an Gebäulichkeiten. — Der Verlust der Dromersheimer „Gemeinds Kasse": 8000 fl. an Wein, 1000 fl. an Gebäulichkeiten, 8300 fl. an Naturalien, 500 fl. an geschädigten Weinbergen und 500 fl. an geschädigten Gütern. — Die Pfarrei hatte folgende Schäden angemeldet: an Wein 400 fl., an Gebäulichkeiten 500 fl. Naturalien 200 fl., beschädigte Weinberge 200 fl. und beschädigte Güter 300 fl. - Die Forensen meldeten an Schäden: Peter Schmidt Ww. 69 fl.; — das Catharinen-Hospital: Wein 4880 fl., Gebäulichkeiten 500 fl., beschädigte Weinberge 200 fl., Güter 100 fl.; - Soherr, Kölches und Wemmer: Wein 40 fl., beschädigte Weinberge 110 fl.; — die Hohe Dompräsens: Wein 2000 fl., Weinberge 250 fl.; das Kloster Weißefrau: Wein 2040 fl., Gebäulichkeiten 40 fl., Weinberge 500 fl.; - Michael Strauß: Wein 2900 fl., Weinberge 85 fl.; - Herr Schweikart: 195 fl.; - Nathan Meyer: 85 fl.; - David Hübner: Wein 2750 fl. und Weinberge 32 fl. Der Gesamtbetrag der Forensen betrug 26 419 Gulden. Hohe Verluste an Gebäulichkeiten hatten: das Stephansstift 1000 fl., das Katharinen- Hospital 500 fl., die Gemeinde 1000 fl.
An besonders hohen Gesamtverlusten sind zu nennen: die Gemeinde 18 300 fl., das Katharinen-Hospital 5700 fl., Michael Strauß 2985 fl., David Hübner 2782 fl., das Kloster Weißefrau 2580 fl., die Dompräsens 2250 fl., die Pfarrei 1600 fl. und das Stephansstift 1500 fl.
Interessant ist, dass das Kloster Weißefrau einen Gebäudeverlust hatte, also hatte es auch ein Haus in Dromersheim. — 45 Geschädigte haben Gebäudeverluste (alle kleinere Beträge) angemeldet. Diese Schäden wurden durch hereingeschossene Granaten verursacht.
Die Schadensanmeldung erstreckte sich auf Verluste an:

1. barem Geld
418 fl.
9 Kr.
2.Vieh
704 fl.
2 Kr.
3.Fuhr und Geschirr
170 fl.
40 Kr.
4.Wein
30
811 fl.
42 Kr.
5.Gebäulichkeiten
4
196 fl.
40 Kr.
6.Victualien
443 fl.
30 Kr.
7.Naturalien
20
223 fl.
30 Kr.
8.Kleidungsstücken
918 fl.
10 Kr.
9.beschädigten Weinbergen
7
456 fl.
— Kr.
10.beschädigten Gütern
3
404 fl.
— Kr.
11.Hausgerätschaften
578 fl.
40 Kr.
   
69
326 fl.
03 Kr.

Auffallend ist, dass fast alle Einwohner nebst den Forensen (nur geringe Ausnahmen) Verluste angemeldet haben an Wein, Naturalien und beschädigten Weinbergen. Der Rückzug der Franzosen muss sich also von der Selz her durch die Dromersheimer Gemarkung vollzogen haben. Aber auch schon vor dem Frieden von Basel wurden von der Gemeinde Schäden durch die Preußen gemeldet: das Rathaus 300 fl. Wert, die Ziegelhütte 800 fl., Brunnenhäuser 250 fl. und der Dorfgraben mit 500 fl. Wert. Auch aus den Pfarrbüchern leuchtet das wechselnde Kriegsglück heraus. Am 28. August 1795 ist die Taufe des Sohnes eines französischen Soldaten „der 19. Legion exercituum Rheni et Moseila" verzeichnet, und am 14. September desselben Jahres fand die Trauung eines Franzosen aus Lyon statt. Am 4. Dezember 1795 ist die Trauung des „centurio caesaraeus regiae Legionis Comitis de Kinski" eingetragen. Unter dem 26. Oktober 1796 meldet das Pfarrbuch die Taufe des Sohnes eines (österreichischen) k. k. Kanoniers, der eingeteilt war bei dem Siebenbürger Wallachei Bataillon unter dem Kommando des Oberstleutnants Stoanitz. Im Februar 1797 und ebenso am 19. Dezember 1797 fand wiederum die Taufe der Töchter von französischen Soldaten statt.

Noch kurz vor Abschluss des Friedens von Campo Formio mussten laut Anweisung der Regierung von Kreuznach vom 5. Oktober im 1. Bezirk unter Vermeidung von Executionen binnen 6 Tagen in das Hauptquartier des Generals Ambert nach Meisenheim an die Franzosen 1000 Paar Stiefeln (sog. Husarenstiefel), 4000 Paar Schuhe und 4000 Hemden abgeliefert werden, wo von auf Dromersheim 3 Paar Stiefel, 13 Paar Schuhe und 12 Hemden entfielen.
Im Januar 1796 wurden in einer Liste namentlich aufgeführt die Bürger, welche zur Bestreitung der Kriegsausgaben mit 440 frs 76 cent. beigetragen haben. Daneben sind 610,98 frs Kapital zu demselben Zweck von 6 Einzelpersonen, sowie dem Stift St. Stephan, der Dompräsenz zu Mainz und der hiesigen Pfarrkirche aufgenommen worden. Die Gemeindebergfelder waren schon 1792 an Bürger versteigert worden, und auch diese laufenden Einnahmen der Gemeinde mussten zur Bezahlung der Anforderungen verwendet werden. Oft fehlte das Geld, und sofort wurden Executionen ins Dorf gelegt, bis man das Geld herbeigeschafft hatte. Da mussten viele mühevolle Gänge gemacht werden. Vom 6. Januar 1797 bis zum 22. März waren neunmal Executionen in unserem Dorf, die Unkosten von 133,28 frs verursachten. Vom 27. bis 30. März dieses Jahres wurde Schultheiß Grüßing wegen fehlender Gebühren für die Schanzer in Bingen in Arrest gesetzt. Unter solchem Druck können wir leicht verstehen, dass am 15. April 1797 die beiden Gemeinden Dromersheim und Aspisheim einen lichtbraunen Ochsen ankauften zur Vermeidung der Requisitionen der ankommenden Franken.
Auch von Einquartierungen war unser Dorf seit Beginn des Krieges nicht befreit. Alle Anforderungen der Truppen mussten befriedigt werden. Man verlangte: Wein, Bier, Branntwein, Hammelfleisch, Kalbfleisch, Rindfleisch, Wurst (auch Bratwürste), Hähnen, Hühner, Tauben, Eier, Brot, Weck, Milch, Kaffee, Butter, Käse, Reis, Zucker, Äpfel, Zwetschen, Salat, Essig, Öl, Pfeffer, Holz, Steinkohlen, Lichter, Hufnägel, Striegel, Staubtuch, Grastüchertuch für Offiziere, ja sogar Haarpuder und einmal eine Tabakspfeife. Für die kurze Zeit vom 24. Dezember 1796 bis 12. März 1797 seien besonders erwähnt: Wein 348 Liter, Bier 1680 Liter, Branntwein 145 Liter, Hammelfleisch 215 Pfd., Rindfleisch 141 Pfd., Wurst 25 Pfd. und etliche Bratwürste, Zucker 34 Pfd. , Kaffee I6V2 Pfd. und Öl 23 Krüge.
Eine Aufstellung für die Zeit vom 24. Dezember 1796 bis 15. September 1797 umfasst mehrere Seiten und enthält als Kriegsausgaben (für manche Posten sind leider keine Preise angegeben):

Chasseur zu Pferd (66 auch 70 Mann)
1936 fl.
Chasseur zu Fuß
540 fl.
Mainzer Husarenartillerie und Jäger
? fl.
Nach Sponsheim für fränkische Vorposten
? fl.
Stroh geliefert in verschiedene Lager:
Layenhof, Nieder-Ingelheim, Ockenheim, Bingen, Kempten, Rochusberg
? fl.
Vieh und Geschirr entkommen
386 fl.
Kredit genommen (von genannten Personen)
456 fl.
Wein, Bier, und Branntwein an Soldaten
667 fl.
Zehrungskosten und dergleichen
815 fl.
Kredit aufgenommen an Kapital ohne die Zinsen
1177 fl.
Brennholz für Wacht und Stuben
615 fl.
Durch Völker ganz ruiniertes Gerichtshaus
350 fl.
Ziegelhütt über Haufen geworfen und verbrannt
300 fl.
Arbeitslöhne, entkommene Säcke, Karst und Schippen
278 fl.
Fuhr- und Handfronde
4623 fl.
Verakkordierte Fuhren, die gleich bezahlt wurden
770 fl.
Schanzarbeiten, Ganggebühren und Tagegelder
5960 fl.
Verschiedene andere Ausgaben
100 fl.

Durch den Frieden von Campo Formio am 17. Oktober 1797 wurde das linke Rheingebiet den Franzosen überlassen. Es trat eine Neueinteilung des Landes ein. Dromersheim wurde von Kurmainz gelöst, zu dem es seit 1391 gehörte. Es zählte nun zum Departement Donnersberg mit der Hauptstadt Mainz, gehörte zum Kanton Bingen und war mit Ockenheim zu einer Mairie (Bürgermeisterei) vereinigt. Die französische Verfassung wurde eingeführt und mit ihr auch die Gemeindeverwaltung umgestaltet. Der damalige Schultheiß Peter Grüsing wurde nach Bingen zitiert, um den „Franken-Eyd" abzulegen. Früher bestehende Vorrechte sowie der Zehnte und die Frondienste fielen weg. Den Bürgermeistern wurden die Polizeigewalt und die standesamtlichen Aufgaben übertragen. Infolge dieser Umstellung traten später ruhigere Zeiten ein, zumal die Franzosen gewillt waren, die Bevölkerung ganz auf ihre Seite zu ziehen. In kirchlicher Hinsicht traten mancherlei Erschwernisse ein. Jetzt wurde auch die französische Zeitrechnung eingeführt, die mit dem 22. Sept. 1792 ihren Anfang nahm, nun also das Jahr 6 zählte. Die Einquartierungen, die Lebensmittel- und Geldforderungen und die Gespanndienste blieben vorerst noch bestehen. Das Kriegsjournale meldete Forderungen eines hier logierenden Kommandanten, bei dem auch fremde Offiziere einkehrten und für Wachtposten. Am 16. Dezember 1797 kam eine Execution, weil die verlangte Seelentabelle noch nicht abgegeben war. Für die Pferde der Truppen wurden ein Paar neue Zugstränge gefordert und der Gemeindevorsteher (= rat) Desoy brachte die französischen Bons zur Übersetzung nach Bingen zu dem Beamten Weisgäns. Zwei Tage später musste für 10 Tage Fourage (Gerste) nach Bingen geschickt werden. Am 24. Dezember marschierte der Kommandant mit seinen Mannschaften zwar fort, aber am Stephanietag (26. 12.) kamen schon wieder neue Truppen an, die sich aber nur auf dem Durchmarsch befanden. Am gleichen Tage schickte der Receveur (Generaleinnehmer) Engelmann von Bacharach eine Execution wegen des von ihm angesetzten Familiengeldes und wegen eines noch restierenden Betrages „als vor längstens ein Krankenhospital zu Wallhausen gewesen und die Gemeinde dahin ein gewisses Geld zu zahlen hat". Wieder zwei Tage darauf fordern Dragoner Fuhren für das Magazin. Mit einem Geldbetrag von 2V2 Gulden wurden sie befriedigt, ohne noch weiter die Fuhre zu verlangen. Am gleichen Tag musste eine Nachtwache gestellt werden für ein Fuhrwerk, das hier nicht abgelöst werden konnte, „damit es nicht dersertieren sollte".
Am Sylvestertag kommt erneut Einquartierung ins Dorf, und am Neujahrstag 1798 brachte Vorsteher Desoy Familiengelder nach Bingen. Gleichzeitig erschien ein Executionskommando wegen neu angesetzten Familien- und Kontributionsgeldern, und am 5. Januar verlangt Receveur Engelmann von Bacharach 64 Lievres zu den „Charges Locals Kosten", wozu von jeder Familie 14 Kr., von den armen Witwen aber 7 Kr. erhoben wurden. Der verlangte Betrag wurde mit 29 fl. 20 Kr. beglichen. Daneben liefen fortgesetzt Fouragelieferungen, und bei Nichterfüllung erschienen sofort Executionen. Es war der Gemeinde äußerst schwer, alles herbeizuschaffen. Oft mussten Ortsbürger nach auswärts gehen, um die verlangten Naturalien anzukaufen. Bei solchen Forderungen und Belastungen war das Amt der Gemeindeverwaltung eine schwere Bürde. Und dabei musste die Neuordnung gefeiert werden. Überall wurden Freiheitsbäume errichtet. Der 18. Januar 1798 verzeichnet die Kosten bei „Aufpflanzung des Freyheitsbaumes" in Dromersheim mit:

1. Den Junggesellen, um den Baum zu holen und aufzustellen
4 fl.
16 Kr.
2. Den jungen Mädchen für Anfertigung des „Ebig = Efeu-Kranzes" einen Kaffee
48 Kr.
3. Für Bänder, Schnur, Kordel und dergleichen Zubehör 1 fl. 9 Kr.
4. Dem Bäckermeister Leonhard Fleck für Weck, welche der kleinen Schuljugend
bei Aufstellung dieses Baumes ausgegeben wurden
3 fl.
16 Kr.
9 fl.
29 Kr.

Schon Mitte Januar 1798 waren die beiden Gemeindevorsteher Jakob Gresch und Wendel Desoy beim Kantonsgericht in Bingen vorstellig geworden, um dort die Erwählung einer Municipalität anzutragen, die von denselben dann am 30. Januar in Bingen vorgestellt wurden. Bei dieser Gelegenheit wurde dem Johannes Meys als Schultheiß der Gemeinde der „Eyd der Trey gegen die Republik" abgenommen. Am 4. Februar wurde er von dem Kantonskommissar Schmitt hier in sein Amt eingeführt.
Doch damit hörten die vielseitigen Forderungen noch nicht auf. Neben den vielen Opfern für die einquartierten Truppen bestanden die Fouragelieferungen nach Bingen fort; auch die Geldforderungen wurden nicht eingestellt. Erneut waren 411 Lievres 5 Sols (rd. 190 fl.) Contributionen gefordert worden, die nicht sofort bezahlt werden konnten. Deshalb schickte Engelmann am 22. Pluviose 6. Jahres (10. Februar) folgendes Schreiben: An die Municipalität zu Dromersheim! Da ihr immer noch bösen Willen zeigt und eure rückständige Contribution noch nicht bezahlt habt, so erhaltet ihr noch zwei Mann Execution, denen ihr, so wie dem anderen Kost und Logis zu einem jeden 2 Lievres täglich zu bezahlen habt. Wenn ihr nun bis den nächsten Montag nicht bezahlt, so kann ich nichts anders tun als zwey Municipalen und zwey der reichsten Bürger arretieren und hierher führen lassen. - Am 12. Februar 1798 wurden abschläglich 100 fl. und bald dar- auf noch 55 fl. bezahlt. Wann der Rest beglichen wurde, geht nicht aus den Aufschreibungen hervor. Solcherlei Forderungen sind im Gemeindearchiv bis zum 17. März 1798 aufgezeichnet, darunter am Schluss in kurzer Zeit dreimal „ein neues Schloss für das Soldatenprison unter dem Rathaus" und „von dem Gemeindegeld sind von den fränkischen Truppen geplündert worden 48 fl.".
Überall wurde nun die Bevölkerung aufgerufen, durch ihre Unterschrift die Legalität der Abtrennung des Gebietes an Frankreich den Franzosen zu bestätigen. Während fast alle Gemeinden des Kantons Bingen ohne viel Aufhebens unterschrieben, dachten unsere Vorfahren über dieses Verlangen anders. Das beweist das Schreiben, das der Adjunkt Johann Meys am 17. Juni 1798 (29. Prärial VI) an den Bürgerkommissar nach Bingen schickte mit dem Vermerk, „dass er mehrmals die angefertigte Adresse bei einer Versammlung vorgelesen habe. Sämtliche Einwohner hätten sich entschlossen, dass, wenn es einem jeden Bürger freistehen sollte, seinen Namen mit eigner Hand zu unterzeichnen, so seien sie solches nicht willens. Da aber solches bei angedrohter Strafe oder sonstigen unangenehmen Zufällen geschehen müsse, so wolle ein jeder der selbigen (nach) dem Befehl gehorsam sein, damit man nicht dadurch in Schaden versetzt werde". Das war eine wahrhaft gewagte Antwort, die wir erst recht würdigen, wenn wir bedenken, welche Gefahr für ihn bei der Abgabe bestand.
In den jetzt etwas ruhigeren Jahren hat man eine Zusammenfassung der Kriegsrechnung bis zum 1. Januar 1800 (im 8. republikanischen Jahr) vorgenommen. Sie lautet:

Bezahlt wurden
15 532 fl.
22 Kr.
Noch zu zahlen sind
41 566 fl.
56 Kr.
Zinsen aufgelaufen auf
7 049 fl.
04 Kr.
Einquartierungs- und Verpflegungskosten von Anfang des Krieges bis 1797
20 355 fl.
32 Kr.
Ausgaben insgesamt:
77 503 fl.
54 Kr.
Ab die Einnahmen
13 397 fl.
15 Kr.
Schuldenstand verbleibt
64 106 fl.
39 Kr.

Nachdem an den politischen Verhältnissen nichts mehr zu ändern war, fingen die Franzosen auch an, Mannschaften für den Heeresdienst zu gewinnen. Zuerst versuchte man es mit Freiwilligen, die durch Werber zur Meldung veranlasst werden sollten. Nur verschwindend wenig zeigten sich geneigt, im Dienste der Fremden ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Darum fanden vom Jahre 1805 an auch Musterungen und Einberufungen statt, was für unser Dorf bewiesen wird mit einer Ausgabe für „das Logement des Rekrutierungs-Corporals" im Jahre 1807. Wer von den Dromersheimer Einwohnern dienen musste, kann leider nicht mehr festgestellt werden, da die diesbezüglichen Akten in; zweiten Weltkrieg der Vernichtung anheimfielen.
Als die Kämpfe gegen Preußen geführt wurden, kamen erneut Einquartierungen ins Dorf. Wie in Frankreich, musste auch bei uns die Feier des Geburtstages Seiner Majestät des Kaisers Napoleon durchgeführt werden. Im Jahre 1807 entstanden 29 Francs Unkosten bei dieser Gelegenheit. Alljährlich musste V20 der gewöhnlichen Einnahmen für die „Reservekompanie" gezahlt werden. 1807 sind 16 frz., 1808 30,72 frz., 1809 51,20 frz. und 1812 69,14 frz. verzeichnet. Von den übrigen Jahren fehlen die Beträge. Der Zehntelbetrag für den Gottesdienst (Kirchenzehnte) musste an den Regierungs-General-Einnehmer Reiset abgeführt werden (1809 = 72, 1812 = 85,48 frz.). Während noch 1810 das Fest des Kaisers und Königs zu feiern war, wird ab 1811 das Fest des Königs von Rom, des Sohnes des Kaisers, am 9. Juni feierlich begangen.
Der Vormarsch Napoleons nach Russland war auch hier wieder bemerkbar. Der Rechner der Gemeinde machte auf Zahlungsrückstände aufmerksam mit dem Hinweis, dass diese „wegen der anhaltenden Kriegsunruhen" erst recht uneinbringlich seien. Von nun an waren wieder Truppendurchmärsche und wohl auch Einquartierungen zu verzeichnen. Wie früher mussten Holz, Licht und Stroh für die Wachen geliefert werden, und gegen Ende 1813 musste Sebastian Dickescheid einen Gang zum Verpflegungskommittee für russische Truppen nach Ober-Ingelheim unternehmen. Mit den geschlagenen, rückflutenden Franzosen und den sie verfolgenden Alliierten brachte das Jahr 1814 Lasten, wie sie von dem Einmarsch der Franzosen her bekannt waren. Die Truppen brachten auch allerlei Krankheiten mit, was die Sterblichkeit unserer Heimatgemeinde im Jahre 1814 in den ersten vier Monaten auf 38 Todesfälle brachte. Außerdem musste Martin Schüler von Dromersheim wegen einer Viehseuche Aufschriften an den Toren der Häuser anbringen. Wenn früher Feste für die Franzosen gefeiert werden mussten, so war der Einzug der alliierten Mächte in Paris gewiss ein berechtigterer Anlass zur Feier, die auch gebührend durchgeführt wurde.
In rascher Folge wechselten nun die Einquartierungen. Zu Beginn des Jahres 1814 waren königl. preußische schwarze Husaren da, am 4. Januar mussten 10 Offiziere verpflegt werden beim Durchmarsch der Russen nach Wörrstadt. Beim Ritt des 10. russischen Dragonerregiments auf die Vorposten nach Drais musste einer ihrer Offiziere namens Jakob Janowsky als Dolmetscher fungieren. Lichter waren zu liefern für russ. Arbeiter, Verpflegung für die Kosaken auf das Piquet (Feldlager) nach Hechtsheim. Es erschien eine Execution von 12 Mann zur Requirierung verschiedener Gegenstände, und mehrere Einwohner wurden als Geiseln auf die Vorposten und nach Büdesheim weggeführt. Nach dem Abmarsch der Russen wurden nassauische Truppen hierher verlegt. Ihr Militärhospital befand sich in Sauerschwabenheim, und der dortige Gemeinde-Einnehmer Singer verlangte von unserer Gemeinde zur Unterstützung 282 fl. 48 Kr. Da das Geld nicht sofort geleistet werden konnte, legte der Obrist Steuben 8 Soldaten dem Adjunkten Johann Schmitt für drei Tage ins Haus. Während noch nassauische Truppen im Dorf lagen, requirierten die Kosaken noch immer. Bald danach wurde der Kommandant der Elisabetha-Grethowitischen Husaren verzeichnet, dann der Escadron-Chef des zweiten russ. Kürassier-Regiments,- einquartiert waren Oliopolsky-Husaren. Auch die Arbeiter der durchmarschierenden Truppen verlangten Beköstigung, und der Korporal Franz Wercher führte eine Executionsmannschaft ins Dorf. Bei solch unsicheren Zeiten war es sehr begreiflich, wenn Fuhren nach Ober-Ingelheim durch den Gendarmen Reisinger überbracht wurden.
Auch die nach der Verbannung Napoleons siegreich heimkehrenden Soldaten machten es nicht besser als auf ihrem Vormarsch. 1815 sind als Kriegskosten aufgeführt: Ankauf von Früchten, Stroh, Wein, Schnaps, Fleisch, Holz, Steinkohlen, Eisen und verschiedene andere Dinge. Es fehlen nicht die Executionsgebühren und Auslagen für Botengänge, Zahlungen für Waschweiber für die k. k. österreichischen Truppen, an bergische Truppen, an Soldaten zur Abholung von Fahnen, an russ. Truppen bei ihrem Rückmarsch aus Frankreich, an den Quartiermacher und die Husaren des kaiserlich. russ. Regiments Jsumsky, an die Arbeiter der durchmarschierenden königl. preußischen Truppen und an die russ. Husaren vom Regiment Paulokretyscry. Die Kriegsausgaben beliefen sich für unsere Gemeinde

für das Jahr 1814 auf:
1915 fl. 59 Kr.
und für das Jahr 1815 auf:
2376 fl. 33 Kr.
zusammen also auf:
4292 fl. 32 Kr.

Wie mögen da die Bürger unseres Heimatdorfes erleichtert aufgeatmet haben, als endlich die Waffen ruhten und Friedensverhandlungen in Wien geführt wurden.

       
Inhaltsverzeichnis
Quellen:
Müller: Chronik von Dromersheim

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