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Die Alte Chronik von 1956

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Die Lage des Dorfes

Wer an einem schönen, klaren Sommertage eine Wanderung auf die Höhen des Hörnchens unternimmt, dem bietet sich wie in einem Gemälde mit kunstvoll geschnitztem Rahmen ein herrliches, reizvolles Landschaftsbild. Vor ihm die weite, fruchtbare, von Getreidefeldern durchwogte Rhein- und Naheebene, gleich einem gesegneten Gottesgarten, im Norden zeichnen sich scharf die langgestreckten, bewaldeten Höhen des Taunus ab, im Nordwesten grüßt vom Rochusberg die stattliche Rochuskapelle herüber, im Westen senken sich die Terrassen des Hunsrücks zur Nahe, und im Süden wuchtet aus weiter Ferne das Massiv des Donnersberges. Im Osten aber ziehen sich in behaglicher Breite die gepflegten Weinberge die Höhen hinauf, bis sie sich auf dem rheinhessischen Hochplateau verlieren, über das sich bis zu seiner Erhebung nach der letzten Tertiärzeit die Fluten des Ur-Mittelrheins ergossen. Ein unvergessliches Panorama für denjenigen, der aufgeschlossenen Sinnes und fähig ist, die Schönheiten der Natur zu genießen. Wie von Zauberhand hingestreut liegen die zahlreichen, sauberen Dörfer am Silberband der Flüsse, in der Ebene und am Fuße der Erhebungen. Zu letzteren zählt auch Dromersheim mit seinem schlanken, spitzen, weit in die Lande grüßenden Kirchturme als Wahrzeichen. Der Ort liegt vor einer nach Westen zu geöffneten Talmulde, die einerseits vom Hörnchen, andererseits vom sog. „Esel" und Hungerberge flankiert wird. In diesem Tale entspringt eine Quelle mit ihrem Einzugsgebiet, die in alter Zeit als „Hungerbach" durch den Ort floss, und wohl den ersten Ansiedlern eine willkommene Gelegenheit zur Niederlassung bot. Sie liegt mitten von Weinbergen und Obstpflegen umgeben und hat der Gewann „Baumborn" ihren sinnvollen Namen gegeben. In späterer Zeit wurde sie in Röhren gefasst und versorgte teilweise die Orts- und Röhrenbrunnen und seit 1928 die Wasserleitung des Dorfes mit Wasser. In trockenen Jahren hatte Dromersheim seit der Jahrhundertwende viel unter Wassermangel zu leiden. Diesem Übel hat im Jahre 1949 eine zielbewusste und entschlossene Ortsverwaltung abgeholfen, indem sie eine weitere ergiebige Quelle im alten Nahebett am Bahndamm bei Büdesheim der zusätzlichen Wasserversorgung dienstbar machte. Die nicht geringen Kosten der Gemeinde haben sich segensreich ausgewirkt, wenn auch manches andere dringende Vorhaben der Gemeinde dadurch vorerst zurückgestellt Werden musste.
 
Dromersheim hat eine sehr günstige Lage. In der Luftlinie liegt es 4,5 km von der Nahe und 5,5 km vom Rheine entfernt in einer Höhe vor dem Eingange der Kirche von 153 m über dem Meeresspiegel*), so dass es in keiner Weise von etwaigen Hochwassern der Flüsse bedroht ist, die sich in den Ortschaften der Tallagen schon oftmals Verheerend ausgewirkt haben. Nach Osten zu ist es gegen die kalten Winde geschätzt, die fast völlig abgewehrt werden. Der Unterschied lässt sich im Winter deutlich wahrnehmen, wenn man auf dem Wege zum Bahnhof unterhalb der sog. „Kreuzchaussee" die geöffnete Rhein- und Naheebene betritt, die eine ungehinderte Luftströmung zulässt. Zwei bedeutende Verkehrsstraßen durchschneiden ungefähr 400 m von Dromersheim entfernt fast rechtwinklig die Ebene. Am Schnittpunkt beider liegt seit 1904 die Gastwirtschaft „Zum Kutschereck", benannt nach dem Namen ihres Erbauers Peter Kutscher, die zur Erholung für jung und alt sowie als Rastpunkt für den Durchgangs- und Autoverkehr bekannt ist. Die sog. Staatsstraße, heute Bundesstraße N. 41, die in schnurgerader Richtung von Gensingen nach Ockenheim führt und Kreuznach mit der Rheinstraße verbindet, wurde um 1840 erbaut (Ingelheim — Gau-Algesheim — Gensingen 1838—1841). Dem Wunsch und Willen der Dromersheimer, sie durch das Dorf geführt zu sehen, wurde behördlicherseits nicht entsprochen. Die Provinzialstraße von Bingen nach Wörrstadt wurde 1844 gebaut. Dem behördlichen Plane zufolge sollte sie oberhalb des Dorfes in allmählicher Steigung den Berg hinauf und den „Starweg" schneidend nach Ober-Hilbersheim geführt werden, ohne Dromersheim kaum zu berühren. Dazu gab der Gemeinderat nicht seine Einwilligung. Er begründete seine ablehnende Haltung damit, dass dadurch viel Weinbergsgelände in Wegfall käme, wodurch die ohnehin schon mit Schulden belastete Gemeinde eine weitere wirtschaftliche Schwächung erführe. Auch die Fuhrleute von Dromersheim sahen in diesem Plan eine Gefährdung ihrer Existenz, denn in damaliger Zeit hatten sie noch viel zu tun. Erst die spätere Motorisierung hat ihnen allmählich ihre wirtschaftliche Grundlage entzogen. Die Gemeinde hat ihr Ziel, die Straße in gerader Richtung durch das Dorf nach Aspisheim geführt zu sehen, erreicht, was spätere Generationen öfters wegen der leichteren Bewirtschaftung des Berger Gemarkungsteiles bedauert haben. Es sei noch erwähnt, dass die Gemeinde den Geländeverlust für die Straßenbauten an die bisherigen Eigentümer zu bezahlen hatte. Für die Straße Bingen — Wörrstadt betrugen die Unkosten 2200 Gulden. Diese Summe wurde auf der Spar- und Leihkasse in Bingen aufgenommen und in vier Jahresterminen zurückerstattet.
 
Eine ganz unerwartete Verbesserung der Verkehrsverhältnisse innerhalb der Gemarkung brachte die Chaussierung des „Starwegs" im Jahre 1953. Die amerikanische Besatzungsbehörde beabsichtigte, auf dem Berg eine militärische Anlage zu errichten, nach der auch eine gute, leistungsfähige Straße führen sollte. Bürgermeister Kraus erkannte mit weitschauendem Blick sofort die Möglichkeiten, die sich durch dieses Projekt für Dromersheim eröffneten. Durch geschickte Verhandlungen erreichte er es, dass diese Anlage auf der Höhe hinter der alten „Mutterglaskaut" auf gemeindeeigenem Feld ihren Platz fand und der Starweg die Zufahrtsstraße wurde, die aus Mitteln der Besatzungskosten des Bundesstaates gebaut wurde. Damit ist ein alter Traum der Dromersheimer ohne Beanspruchung des Gemeindesäckels wie ein Geschenk vom Himmel in Erfüllung gegangen.
Im Jahre 1870 wurde Dromersheim durch den Bau der Bahnlinie von Bingen nach Alzey an das Verkehrsnetz angeschlossen, und im Jahre 1902 erfolgte die Verbindungsstrecke von Gau-Algesheim nach Münster a. St. die bei der Station Büdesheim-Dromersheim einmündet. Letztere wurde am Sophientag, dem 15. Mai 1902, eröffnet, weshalb sie im Volksmund „Sophiechen" genannt wurde.
Im Jahre 1907 bot die Stadt Bingen den Bau einer elektrischen Straßenbahn über Dromersheim nach Ober-Hilbersheim an, was jedoch aus finanziellen und engherzigen wirtschaftlichen Bedenken wie das gleichzeitig angebotene elektrische Licht der Ablehnung verfiel.
Seit der Konsolidierung und dem Ausbau der Verkehrsverhältnisse nach dem zweiten Weltkriege liegt Dromersheim an der in der Regie der Bundespost befindlichen Autobuslinie von Bingen nach Ober-Hilbersheim. *)

Zum Vergleich:
Bahnhof Bingen 83 m, Bahnhof Büdesheim-Dromersheim 106,7 m, der Kolben 179 m, Dromersheimer Hörnchen 260,8 m, Hungerberg 269 m und Ockenheimer Hörnchen 273 m über Normal Null. Das Ockenheimer Hörnchen wird im Volksmund „Dietruhe" genannt, weil angeblich ein Mann namens Diet im vorigen Jahrhundert dort eine Ruhebank aufgestellt hatte. In Ockenheim kennt man diese Bezeichnung nicht.

       
Inhaltsverzeichnis
Quellen:
Müller: Chronik von Dromersheim

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